Erschienen im Hirzel-Verlag
(Rezensionsexemplar, daher Werbung)
Der wahre Prototyp des Politpopulisten
In der Person des ehemaligen US-Präsidenten Trump mögen wir heute wohl den bekanntesten Vertreter des Polit-Populisten erkennen. Jedoch ist er nicht der Prototyp dessen und auch nicht der Vorreiter dieses demokratiefeindlichen Politikers, der nicht als „normaler“ Politiker gesehen werden will. Diese historische Einordnung als der erste Politpopulist in einer westlichen Demokratie muss man Silvio Berlusconi zugestehen. Und er hat am Ende des letzten Jahrhunderts eine Figur geschaffen, die heute von vielen gespielt wird: Medien nutzen, keine eigene Agenda zu haben, sondern nur das Negativgeschreie der sich immer beschwerenden Masse zu bedienen. Ja, Politiker zu sein und gleichzeitig in einer “Die-da-oben”-Rhetorik sich als Nicht-Politiker darstellen. Oder zu den Superreichen des Landes zu gehören und sich gleichzeitig als Vertreter des „kleinen Mannes“ darzustellen. Darüber hinaus ein chauvinistischer, nicht mehr zeitgemäßer Vertreter des Sexismus, ein Frauenverächter zu sein und seine Eskapaden mit minderjährigen Mädchen, wie ein Werbeschild eines wahren mächtigen Imperators, vor sich herzutragen. Autorin Michaela Namuth hat als Journalistin jahrzehntelang in Rom gearbeitet und gelebt. Sie kam 1994, im Jahr des politischen Beginns und Aufstiegs Berlusconis zum Ministerpräsidenten nach Rom. Ihr fabelhafter, umsichtiger Rückblick ist eine Zeitreise hin zur heutigen italienischen Gesellschaft und hilft uns vieles zu verstehen.
Antidemokrat, Medienmogul und offensichtlich korrupter Bauunternehmer
Silvio Berlusconi hat Italien geändert, ja man muss ihm zugestehen, er hat die westlichen Demokratien geändert. Er hat manche – vor allem in jungen Demokratien des europäischen Ostens – an den Rand ihrer Existenz gebracht und es wird die Frage bleiben, ob sein Erbe nicht so manche Demokratie vernichten wird. Man sieht dieses Erbe deutlich in Form der hiesigen AfD oder im Ungarn des Victor Orban, in einem trumpschen Amerika, der FPÖ in Österreich oder sonst wo. Vor allem aber in seinem Heimatland Italien hat er die Gesellschaft nachdrücklich beeinflusst. Es ist somit kein Zufall, dass das Land zurzeit von der postfaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni regiert wird. Wie konnte sich eine der großen westlichen Demokratien Europas so entwickeln? Michaela Namuth berichtet rückblickend auf Berlusconis Zeit und präsentiert zeitweise auch ihre damaligen Artikel, um das Denken und die Situationen besser nachzuvollziehen. All das hilft das Phänomen “Berlusconi ” die Hoffnungen der Italiener in den 90er bis in die 0er Jahren besser zu verstehen. Was sahen sie in diesem auf sich bezogen Antidemokraten? In diesem offensichtlichen korrupten Bauunternehmer?
Ein sehr guter Blick!
Das Buch zeigt sich als guter Über- und Rückblick in die Wirren der italienischen Demokratie rund um die Zeit des Jahrtausendwechsels. Aber es ist nicht nur ein Berlusconi-Buch, sondern ein Einblick in die Entwicklung der Gesellschaft Italiens von den 90ern zu den 10er Jahren. Namuth schaut auch auf viele andere Aspekte der italienischen Gesellschaft dieser Zeit, wie z.B. Migration, Presse, Medien, die Erdbeben, die Mafia und mehr.
Ein guter Blick tief in die jüngste Geschichte Italiens, ein guter Blick zum Verständnis der Italiener.