Ich muss es direkt zu Beginn zugeben: Dies war wirklich mein erstes John Grisham Buch. Natürlich habe ich viele, viele Gerichtsdramen auf der Grundlage des weltberühmten Autors in ihren Verfilmungen gesehen, aber ein Buch kam mir irgendwie – ohne bewusstes Zutun – bisher noch nicht auf den Tisch. Somit stellen sich für viele bestimmt sofort die Fragen: Wie war es? Hat es sich gelohnt? Und hat der Altmeister immer noch diese spannenden Geschichten zu erzählen? All diese Fragen möchte ich – vor meinen Ausführungen – sofort mit „Ja“ beantworten. Grisham ist ein solider Autor, der es auch nach Jahrzehnten noch schafft, Geschichten mit Tiefgang und Hintergrund zu entwickeln und zu erzählen. Grisham ist ein Meister der Unterhaltung und der Spannung. In seinem neusten Werk „Die Legende“ erzählt er, passend für unsere Zeit, eine Geschichte im Spannungsfeld zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen, eine Geschichte über Rassismus und den Umgang der Lobbyisten mit Underdogs. Passend zur amerikanischen Gesellschaft 2025.

Allahs mächtige Influencer | Stefan Kaltenbrunner und Clemens Neuhold
Social Media – Fluch und Segen unserer Zeit. Aber wie schon in unseren dunkelsten Vergangenheiten, wissen vor allem die Negativkräfte, was es bedeutet, wenn man es schafft, durch Medien in die privatesten Räume der Menschen vorzudringen. Hier sind wir ungeschützt, wenn wir uns nicht selbst schützen. Und wie sieht es mit Kindern und Jugendlichen aus? Wer schützt diese? Es ist für uns schockierend zu hören, dass TikTok, Instagram, WhatsApp, Telegram, etc. in Direktverbindungen in die Kinderzimmer unserer Zeit stehen. Ungefiltert erreichen Fake-News und radikale religiöse Ansichten die Minderjährigen. Diese sind so – völlig allein – diesen „Informationen“, Bildern und Emotionen und Manipulationen ausgesetzt. Da ist der Weg zur Radikalisierung von z.B. islamgläubigen Jugendlichen ein sehr einfacher. Wenn man im Problemviertel aufwächst, sich nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehörig fühlt, die Sprache des Landes nicht gut sprechen und verstehen kann, ja wenn das ganze Zuhause eher an ein Land erinnert, das Heimat sein soll, das man aber selbst nicht kennt, dann gibt dies einem sehr wenig Halt im Alltag – vor allem in der Jugend. Da können Menschen aus dem Internet, die einem einen so klar wirkenden, angeblich gut gemeinten Weg gegen all dies zeigen, schnell zu Verbündeten, zu angeblich verschworenen Freunden werden.
Stefan Kaltenbrunner und Clemens Neuhold haben ein Buch geschrieben, das uns wie ein deutlicher Weckruf in unserer Gesellschaft sein sollte. In Deutschland, Österreich und der Schweiz werden täglich systematisch Jugendliche rekrutiert, fanatisiert und zu terroristischen Gewalttaten aufgerufen. Endlich ein klarerer Blick auf ein zentrales Problem in unseren Gesellschaften und es gilt diesen Blick nicht wieder abzuwenden.

German Burnout | Dr. Thomas Bergner
Die Frustrationstoleranz der Deutschen erscheint am Limit. Aggression, Intoleranz, überzogene Reaktion prägen die politischen Debatten, aber auch alltägliche, zwischenmenschliche Situationen scheinen schnell zu eskalieren. Thomas Bergners Diagnose: „Das Land ist im Burnout.“ Dieses Gedankenexperiment scheint erst einmal gewagt und wenig wissenschaftlich, aber – und dies macht sein Buch „German Burnout“ deutlich – es hat seine klare Berechtigung. Es wird verständlich, wenn man es einmal zulässt, konsequent durchdenkt und durchgeht. Und es hilft so manche öffentliche Überreaktion, Empörung und vor allem den vielfach stattfindenden Zynismus verstehen zu wollen. Das Land der German Angst, German Scham und German Schuld erscheint mental am Boden oder zumindest in der mentalen Abwärtsspirale. Woher kommt dies? Was hat dies, besonders in Deutschland, gefördert. Die Lektüre von „German Burnout“ ist, wie manche Lektüre rund um den eigenen psychischen Zustand, nicht immer angenehmen, sondern oft auch fordernd. Denn es geht ja schließlich um uns und da gilt es in Reflexion zu gehen und auch Fehler zu erkennen, geliebte und gewohnte Denkmuster zu verlassen. Das könnte dann der Beginn sein, sein eigenes Mindset zu ändern. Eine fordernde, aber auch sehr tiefgreifende, lohnende Lektüre, die neue Perspektiven auf unser gesellschaftliches Miteinander mit sich bringt.

Die letzte Fahrt des Zaren – Als das alte Russland unterging | Jörg Baberowski
Es dauert lange, bis alte Systeme in sich zusammenbrechen oder revolutionär gestürzt werden. Eine Frage, die sich auch heute – aktuell – in einer Welt mit großen Umbrüchen immer wieder stellt. So ist der Blick nach Russland, zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur ein Blick in die Geschichte, sondern ein Blick in die mögliche Systematik von Politologie und Soziologie. Es geht ums Verstehen, um Zeichen des Zerfalls zu erkennen. Und hier ist es nicht nur eine revolutionäre Kraft, die das Zarenreich im Februar 1917 wegfegte. Nein, man hat viel mehr das Gefühl, dass es den alten Kräften daran fehlte, sich noch einmal aufbäumen zu können oder zu wollen. Jörg Baberowski hat mit seinem Werk „Die letzte Fahrt des Zaren“ ein sehr eindrucksvolles und fleißiges Buch geschaffen, dass uns die Möglichkeit gibt – zeitweise wie minutiös – den Fall der alten Zeit wieder zu erleben. Dazu hat er es geschickt, durch den dauernden Wechseln von Ort und Personen, komponiert. Mit Fassungslosigkeit schauen wir auf die fehlende Tatkraft, ja, vielleicht auch die Arroganz der herrschenden Schicht, den Wechsel, der sich zeigt, zu erkennen. Was brachte, nach über 500 Jahren der Herrschaft, das Ende der Romanovs?

Unter Nachbarn – vom seltsamsten Verhältnis unseres Lebens | Bernd Imgrund
Wir alle kennen sie, haben oder haben keine Beziehungen zu ihnen. Wenn es Beziehung gibt, können diese in der großen Bandbreite von inniger Freundschaft bis zur abgrundtiefen Feindschaft sein: Nachbarn! Sie können die Haus- und Wohnungssuche oft mehr prägen als die Immobilie selbst. Es sei denn unser finanzieller Hintergrund ist so groß, dass wir uns sie mit dem Erwerb eines riesigen Grundstückes auf Distanz halten.
Bernd Imgrund hat mit seinem Werk „Unter Nachbarn“ ein informatives, umsichtiges und zeitweise auch mit humorvollem Seitenhieb angereichertes Buch um diese besondere Beziehung geschrieben. Eine Alltags- und Sozialgeschichte über eine der relevantesten und selten völlig frei gewählten Beziehungen im menschlichen Leben. Ein Gang durch die Zeit, aber auch durch unsere Zeit. Durch Kultur, Justiz und bunt durch so viele andere Aspekte des täglichen menschlichen Lebens. Und ich bin mir sicher, dass jeder Leser innerlich seine Stationen im Leben durchgeht und sich immer wieder dabei erwischt, beschriebene Beziehungen und Situationen zu bejahen. Wir kennen das – im Guten und im Schlechten. Und diese Beziehungen im Netz der Nachbarschaft gibt es schon seit Jahrhunderten – haben sich in bestimmenden Bereichen wenig geändert.

Die Kriege der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung | Joschka Fischer
Es war ein langer Weg vom Taxifahrer, zum turnschuhtragenden Umweltminister in Hessen, Außenminister der Bundesrepublik und dann zum weisen Politsenior. Aber Joschka Fisher hat viel Erfahrung, Knowhow und – das beweist er in seinem neusten Werk – er hat globalpolitischen Weitblick. Sein Buch „Die Kriege der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung“ muss der clevere Fischer schon weit vor dem 2. Amtsantritt Donald Trumps im Februar bedacht haben. Das Buch erschien am 13. März 2025 und Joschka Fischer hat schon einiges zuvor kommen sehen.
„Chaos als Ordnungsprinzip in der zukünftigen Staatenwelt“. Mit dieser Überschrift dachte Fischer schon vor der Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten, das neue System der Staaten dieser Welt zueinander durch. Und es erinnert viel ans orwellsche „1984“, wenn es keine stabilen, kontinuierlichen Bündnisse zwischen ihnen mehr gibt, sondern jeder ständig auf seinen Vorteil bedacht ist und dafür auch bereit ist, sekundenschnell alte Partnerschaft aufzulösen und neue einzugehen. Es gilt dann nur noch kurz die Geschichte zu ändern. Das ist der Beginn einer neuen Weltordnung. Ob dies nun ein Übergang ist oder der neue „Normalzustand“, bleibt abzuwarten.

Doktor Faustus | Thomas Mann
Ich muss zugeben, dass ich als Musiker – im Positiven – immer schon mehr als voreingenommen gegenüber „Doktor Faustus“ war. So sehr geht das Werk in die Tiefe der Harmonielehre, dass vielleicht dies für manche Leser der besondere Zugang, für andere vielleicht aber auch die Schwere des Werks ausmacht. Aber alle Auseinandersetzung lohnt sich! Musik ist die schwarze Kunst. Musik ist Alchemie, Musik ist die Verführung des Teufels. Ein seltsamer Blick? Vielleicht, aber es geht Thomas Mann wieder einmal um den Künstler, den Verführer, der zeitlebens auch verführt wird, der Verführung unterliegt. Magier einer Kunst. Doktor Faustus ist komplex und nimmt uns mit in ein Leben, nimmt uns mit auf eine Reise. Dabei hat das Werk viele Ebenen, Dimensionen.

Der wahnsinnige Kaiser – Elagabal und der Niedergang Roms | Harry Sidebottom
Es gibt etwas, was uns auf schreckliche Art an den Cäsaren Roms fasziniert: Es geht um Macht, es geht um Verbrechen, um Sex und Intrigen. Das hat eine deutliche Strahlkraft auf uns über die Jahrhunderte hinweg. Man ist wie schockiert und muss doch hinschauen. Man ist vielleicht angewidert und verurteilt all dies, aber es hat auch diesen Moment der Bewunderung, der Grenzüberschreitungen. All dies hat wohl – wie zugespitzt – die eigentlich kurze Geschichte des berühmt, berüchtigten und bizarren Kaisers Elagabal. Er ist wohl der römische Kaiser, der aller Wahrscheinlichkeit mit einer extrem brutalen Perversität ausgestattet war und der somit als Prototyp für den sogenannten Cäsarenwahn in die Geschichte einging. Verwunderlich ist es da, dass seine eigentliche Geschichte, der Aufstieg und große Fall, so selten aufgearbeitet wurde. Vielleicht hat das Klischee über Elagabal viele Autoren davor abgeschreckt und abgehalten. Harry Sidebottom geht ihn offensiv und umfassend an. Dabei erfahren wir durch diesen kurzen Ausschnitt der römischen Herrschaftsgeschichte sehr viel über die Feinheiten der römischen Gesellschaft. Sidebottom präsentiert nicht nur eine Biografie, sondern eine gesellschaftliche Analyse, in der wir erlernen zu verstehen, wie es sein konnte, dass ein 14-jähriger, dessen angebliche kaiserliche Herkunft noch nicht einmal gesichert war, urplötzlich durch die Unterstützung einer ganzen Legion zur Macht kommen konnte. Spannend ist unter anderem dabei auch, dass ein solches Spiel des Ergatterns der Macht, vor allem durch die Intrigen der Frauen der Familie möglich war. All dies zeigt, dass in der römischen Gesellschaft Frauen bei weitem nicht nur machtlose Spielsteine auf dem politischen Spielbrett waren.

Das Leben fing im Sommer an | Christoph Kramer
Ein Fußballer schreibt einen Roman? Ja, und er scheint auch viel gelesen zu haben. Ein Buch, eine Zeitreise ins – für die Deutschen – denkwürdige Jahr 2006. Und es geht bei weitem nicht primär um Fußball. 2006 – wer da in der Jugend war, ist ein Millennial (zwischen 1980 bis 1995 geboren). Und dieses Lebensgefühl bringt Christoph Kramer in seinem Roman, gespickt mit vielen autobiographischen Zügen, herrlich auf den Punkt: Mit ForYou-Tasche, Tattooketten an den Hälsen der Mädchen, SchülerVZ, Sony Erikson Handys, ICQ. Darüber hinaus haben viele Kids eine kleine Karriere im Pokémon oder Yu-Gi-Ho-Karten sammeln hinter sich. Alle guten Dinge, die geschehen, sind entweder krass oder stabil. Zur Kommunikation schreibt man noch SMS. Und die Musik? Tja, die kann z.B. von Timberland oder Natascha Bedingtfield sein. Eine wunderbare Zeitreise in die Jugend der Millennials. Überhaupt viele, viele Bilder für alle, die damals schon lebten; die in der Zeit des Sommermärchens dabei waren.
Aber auch für junge Leser und Leserinnen, die das Gefühl jugendlicher Liebe verstehen, erleben und ergründen wollen. Wie schon das Cover andeutet, ist eine ganze Portion New Romance im Buch und Kramers Welt ist sehr cozy. Er wächst in einer Umgebung auf, die harmonisch, alterstypisch, etwas dörflich ist (obwohl es sich mit Solingen schon um eine „richtige“ Stadt handelt) und auch den Hauch von der nostalgischen „guten, alten Zeit“ hat. Obwohl alles gerade einmal 20 Jahre her ist.

Das Karfreitagsgefecht – Deutsche Soldaten im Feuer der Taliban | Wolf Gregis
„Krieg ist Chaos“, sagte einst der Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee Norman Schwarzkopf während des 2. Irakkriegs. Und genau in dieses Chaos gerieten am 2. April 2010 Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan. Der Tag ist im Nachhinein ein absoluter Wendepunkt der bundesdeutschen Armee. Zuvor nur in dauernder Vorbereitung einer möglichen Landesverteidigung, war man nun inmitten eines Krieges angekommen. Alles was man über Jahrzehnte durchdacht, geplant, überlegt und geübt hatte, wurde nun mit einem Schlag Wirklichkeit – keine Zeit mehr Dinge zu durchdenken. Zwei Tage später brachte es der damalige Verteidigungsminister von Guttenberg endlich auf den Punkt, was eigentlich schon längst hätte deutlich – für die Truppe und die Öffentlichkeit – artikuliert werden müssen: Die Bundeswehr war im Krieg. Eine Realität, die bis heute von vielen Teilen der Bevölkerung nicht eingestanden wird, da man sich doch als demokratisches Deutschland lange darin sonnen wollte, dass alle anderen Kriege führen oder in Kriege geraten – nur wir nicht. Es gilt gerade heutzutage sich wieder deutlich zu machen, dass auch dieser Teil zu einem souveränen Staat gehört. Dabei kann dieses Buch helfen zu verstehen, was kriegerische Handlungen in unserer Zeit bedeuten.