Erschienen bei Econ /Ullstein Buchverlage
(Rezensionsexemplar, daher Werbung)
Krieg ist Chaos
„Krieg ist Chaos“, sagte einst der Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee Norman Schwarzkopf während des 2. Irakkriegs. Und genau in dieses Chaos gerieten am 2. April 2010 Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan. Der Tag ist im Nachhinein ein absoluter Wendepunkt der bundesdeutschen Armee. Zuvor nur in dauernder Vorbereitung einer möglichen Landesverteidigung, war man nun inmitten eines Krieges angekommen. Alles was man über Jahrzehnte durchdacht, geplant, überlegt und geübt hatte, wurde nun mit einem Schlag Wirklichkeit – keine Zeit mehr Dinge zu durchdenken. Zwei Tage später brachte es der damalige Verteidigungsminister von Guttenberg endlich auf den Punkt, was eigentlich schon längst hätte deutlich – für die Truppe und die Öffentlichkeit – artikuliert werden müssen: Die Bundeswehr war im Krieg. Eine Realität, die bis heute von vielen Teilen der Bevölkerung nicht eingestanden wird, da man sich doch als demokratisches Deutschland lange darin sonnen wollte, dass alle anderen Kriege führen oder in Kriege geraten – nur wir nicht. Es gilt gerade heutzutage sich wieder deutlich zu machen, dass auch dieser Teil zu einem souveränen Staat gehört. Dabei kann dieses Buch helfen zu verstehen, was kriegerische Handlungen in unserer Zeit bedeuten.
Atmosphärische Beschreibungen
Wolf Gregis hat ein Sachbuch mit sehr atmosphärischen Beschreibungen geschrieben, das nicht nur Fakten erzählen will, sondern uns die Situation über eindringliche Bilder in den Verstand transportieren möchte. Dieses Sachbuch ist bei weitem kein rationales Faktenbuch, denn es hat ein Anliegen. Es will nicht nüchtern berichten, sondern erklären und mahnen. Gregis springt ab der ersten Seite in die Handlung. Kein großes Vorgeplänkel, keine politischen Erklärungen. Es geht ihm ausschließlich um die Soldaten, die Männer der Truppe, ihre Gefahren, ihr Erlebnisse. So klingt es oft mehr wie ein Roman und der Leser muss sich immer wieder deutlich machen: Dies war die Realität! Die Realität eines Krieges. Ein Wort, das im Zusammenhang mit dem Afghanistaneinsatz der Bundeswehr so lange von den Entscheidungsträgern vermieden wurde.
Deutlich werden auch, neben dem großen Einsatz der Soldaten, die Schwachsinnigkeiten so mancher Befehle aufgrund sinnloser Vorschriften oder ängstlichem Verhalten in den oberen Rängen, Verantwortung zu übernehmen. So z.B., wenn die Mikado-Drohnen nicht vor ihren Einsätzen vor Ort im Flugbetrieb getestet werden durften oder eine Einstellung, wie auf dem Truppenübungsplatz deutlich wird, dass nämlich keine Ausrüstung verlustig gehen durfte. Aufgrund dieser Einstellung brachte man Soldaten in unnötige Gefahr. Die Bundeswehr musste aus diesen Fehlern lernen.
Gregis weiß, wovon er spricht, diente er doch selbst in Afghanistan. So bedarf es auch einen Augenblick für uns, um im aktuellen Soldatenjargon angekommen zu sein. Aber dann ist das Handeln und die Denkweise der Soldaten sehr nachvollziehbar. Zur Unterstützung dessen, hat der Autor für uns Laien extra ein Glossar angehängt, indem man schnell militärische Fachausdrücke oder Bewaffnungsarten nachschlagen kann.
Für Menschen, die verstehen wollen, was Krieg heute bedeutet
Gregis ist es wichtig die Motivation und das Ethos der Soldaten zu erklären. Für Außenstehende mag das oft schwer verständlich und fremd sein. Klar ist aber, dass ohne größte Loyalität, Kameradschaft zueinander, solche Einsätze nicht möglich sind.
Ein Buch zum richtigen Zeitpunkt, wenn man den derzeitigen politischen Wendepunkt ernst nimmt. Denn wenn Deutschland wirklich seine Verteidigung selbst in Angriff nehmen möchte, gilt es auch für die Gesellschaft sich zuvor zu überlegen, was dies für die Soldatinnen und Soldaten im Verteidigungsfall konkret für Konsequenzen hat; tun sie dies doch für uns alle, für unser Gemeinwesen. Ein Buch, das Einblick gibt. Natürlich für Militariafans oder ehemalige Soldaten, aber auch für Menschen, die verstehen wollen, was es bedeutet, heute im Krieg zu sein. Ganz bestimmt aber für die, die sich mit dem Berufsbild des Soldaten auseinandersetzen wollen.