Eine kleine Geschichte der Presse anhand der Vermischten Meldungen
Erschienen im Verlag S. Fischer Wissenschaft
Rezensionsexemplar
Vom Kopfschütteln bis zum Schmunzeln
“Vom Elbstrom den 1. Januario. Dises Orts ist anjetzo nichts schriftwürdiges vorgefallen.” Eine solche Einsicht von manchem Journalisten in Tageszeitungen würde ich mir heute auch wünschen!
So ist es bei diesem Werk aber bei weitem nicht! In der Rubrik “Vermischte Meldungen” ist über die Jahrhunderte so viel zwischen Spektakulärerem bis Profanem erzählt worden, was seinen Autoren so würdig erschien festgehalten und verbreitet zu werden, dass wir dies doch oft schmunzelnd und/oder kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen.
Die kleinen spektakuläreren Geschichten in der Zeitung, Randnotizen, “Aus aller Welt” oder wie sie sich nennen – wir lieben sie! Sie sind über den Schlagzeilen des Tages das Salz in den Nachrichten. Und sie verraten uns doch auch so viel über unsere Gesellschaft, über unsere Vorlieben, heimlichen Neigungen, unseren persönlichen Voyeurismus und unserem nicht endenden Spaß am Skurrilen.
Ein Buch der Neugierde
Klaus Zeyringer hat uns nun eine Geschichte der Presse anhand dieser kleinen Geschichten geschrieben. Er erzählt damit eine Geschichte von Geschichten – ob sie nun wahr sind oder nicht – und vor allem vom Denken und der Neugier der Menschen durch die letzten vier Jahrhunderte hinweg. In der Geschichte der Literatur oder des Journalismus sind diese Texte, Nachrichten nur selten Thema – werden als scheinbar unwichtig übergangen. Dabei sind sie doch so vielsagend. Ja, und vor allem amüsant, spannend und so entlarvend noch dazu. “Das Leben und Treiben einer Gesellschaft, ihre Prioritäten und Normen spiegeln sich in den kurzen, zwischen den großen Beiträgen gesetzten Artikeln.“
Geschichten von Wundergeburten, missgestalteten Kindern mit vielen Köpfen und drei Beinen, Himmelserscheinungen und, und, und…in seinem Werk trägt Zeyringer hunderte dieser kleinen Anekdoten zusammen.
So entsteht eine weit umfassende Geschichte von News, die sich oft nicht nachverfolgen lässt und zu Beginn der aufkommenden Zeitungen oft “Fake News” vermuten lassen.
Die Geschichte der Presse
Parallel dazu entsteht ein guter Überblick über die Geschichte der Entwicklung der Zeitung – vom Flugblatt zum umfassenden Werk. Ab 1600 kommt die Zeitung als Informationsquelle in Europa auf, 1609 in Deutschland, in Frankreich 1611, in Italien ab1664, in Spanien 1677. Schnell werden die Flugblätter von den Mächtigen als Möglichkeit erkannt, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Noch lange sind diese Vorformen nicht frei in ihren Darstellungen – ist die Zensur die Norm. Doch scheinbar hat die Obrigkeit nichts gegen eine amüsante aufgelockerte informative Unterhaltung. Diese ist ja auch zumeist unverfänglich. Mit kleinen Spitzen zu den verschiedenen Zeiten – auch mal humoristisch, auch mal etwas ernsthafter.
Ein Lesespaß!
All das macht Spaß zu lesen. Das heitere, bunte Potpourri zeigt sich als große, sehr vielseitige Zusammenstellung solcher Nachrichten – aber auch ihren Stellenwert als Spiegel der Gesellschaft zu jeder Zeit. Und das, vom Aberglauben bis zum Glauben an die Adelsfamilien. So werden im 19. Jahrh. Macht und Würde, d.h. Könige und der Papst gern gelesene Themen. Selbst wenn der Papst dem Prinzen die Windeln weiht.
Eine schöne „Gute-Nacht-Lektüre“, in der man immer noch einmal einige skurrile, amüsante kleinen Geschichten findet. Ein Buch für die, die Spaß haben an Randnotizen, Boulevard und der Geschichte der Journale und Tageszeitungen.