Ich hätte es nicht für möglich gehalten und hatte die Veröffentlichung der Reihe rund um den Kunstexperten Lennard Lomberg von Autor Andreas Storm bisher nicht mitbekommen, aber nun bin ich mehr als begeistert. Denn bisher hatte ich mit einem Autor mit Robert Harris Qualitäten im deutschsprachigen Raum nicht gerechnet. Das mitreißende und eindrucksvolle Auftaktwerk „Das neunte Gemälde“ ist eine wirklich komplexe und fesselnde Geschichte quer durch Europa, durch die deutsche Geschichte der letzten 80 Jahre und ein Eintauchen in die weltweite, millionenschwere Kunstszene. Ein gutes Buch für alle, die z.B. auch „Der Club Dumas“ (verfilmt unter dem Titel „Die neun Pforten”) von Arturo Pérez-Reverte lieben. Andreas Storm bringt genau diese dunkle, morbide Atmosphäre von tiefgreifenden Geheimnissen in der Geschichte. Darüber hinaus verbindet er sehr gut recherchierte Geschichte mit einem intelligent durchdachten Kriminalfall, der immer wieder noch einmal neue Wendungen mit sich bringt. All dies macht das Buch zu etwas besonderem in der Szene der Historischen Romane und Krimis, denn nur wenige Autoren schaffen in diesem Ambiente solch komplexe Konstruktionen, die genau durch diese Komplexität so realistisch herüberkommen.
Kategorie: Krimi/Thriller

21 | Wulf Dorn
Ich gebe zu, dass ich sehr selten Hörbücher höre, denn „Bücher“ bedeuten für mich vor allem Lesen und das gute haptische Gefühl des Buchrückens in der Hand. Aber mein Erlebnis mit der Hörbuchfassung von Wulf Dorns „21“ hat mich jetzt an den Punkt gebracht, mir wohl des Öfteren zukünftig solche akustischen Erlebnisse zu ermöglichen. Hier heißt es, sich zurücklehnen, abtauchen und mit Nikka – der Protagonistin, die aus ihrer Sicht hier erzählt – in eine wirklich schräge Geschichte zu gleiten.
Darüber hinaus wird deutlich, dass Wulf Dorn nicht nur den Anspruch hat, eine Coming-of-Age Story und einen Grusel-Thriller zu erzählen Nein, er hat den Anspruch etwas über das menschliche Leben zu erzählen. Seine Geschichte spielt zwischen den Welten und Erzählerin Sonja Ströhl erzählt uns diese Geschichte auf besonders interessante Art.

Nacht der Rache | Edith Niedieck
Es wäre nicht fair Rezensionen zu schreiben und dabei zu behaupten, dass man immer vollkommen neutral ans nächste Buch herangeht. Bei “Nacht der Rache” von Edith Niedieck ist es schon ein rein äußerlicher, eher geringer Faktor, der mich doch sehr beeinflusst. Ihr Kriminalhauptkommissar Baack ermittelt in der mir wohl sympathischsten Stadt Deutschlands, nämlich in Köln. Und dies bringt bei mir schon ungewollt Pluspunkte, wenn wir am Ebertplatz, der Lanxess Arena, in St. Gereon oder im Colonia-Hochhaus sind. Das bringt schon eine gute Atmosphäre, also viel schönes Lokalkolorit.
Aber Köln bedeutet auch: Kölsch, Karneval, Klüngel und all das hat dieser Krimi mit dabei!
Niedieck präsentiert einen Krimi mit aktuellen Themen, rund um die Metropole am Niederrhein. Morde und Sabotagen geschehen und alles steht im Zusammenhang mit dem politisch höchst aufgeheizten Thema des Hambacher Forstes und einem Energieriesen mit drei Buchstaben (beginnt mit R).

Dezember 41 |William Martin
Für seinen historischen Thriller „Dezember 41“ hat Autor William Martin ein besonderes Szenario gewählt. Gerade für uns deutsche Leser ist dies von besonderer Bedeutung, spielt die Geschichte doch vor allem rund um die obskure Vereinigung des Amerikadeutschen Bundes, eines quasi Fan-Clubs Adolf Hitlers, während der 30er Jahre, in den USA, die dort einen faschistischen Staat gleich dem NS-Reich aufbauen wollten. Zwar erscheint dieses Szenario als vielleicht verstaubt und in seiner Art weit weg, aber lassen uns doch gerade die jüngsten Äußerungen aus der trumpschen Republikaner Partei mit einem deutlich fanatisch rassistischen, antisemitischen Ton aufhorchen, dass es solche Bestrebungen in Teilen des amerikanischen Volkes (egal ob mit oder ohne deutsche Wurzeln) schon immer gab. Mit diesem Wissen wird dieses Buch in seiner historischen Kulisse doch plötzlich sehr aktuell.

Die Nacht des Blutadlers | Marc Voltenauer
Marc Voltenauer hat mit seinem dritten Band „Die Nacht des Blutadlers“ seinen Protagonisten Andreas Auer von der heimatlichen Schweiz auf Spurensuche seiner eigenen Vergangenheit nach Schweden geschickt. Herausgekommen ist ein Kriminalroman, der diese beiden kulturellen Einflüsse in spannendster Form vereint. Dies gibt als Grundvoraussetzung dem Buch schon mal etwas sehr Spezielles! Eine besondere Note, die sich durch das Werk zieht!
Darüber hinaus wird er seiner Bezeichnung „Kriminalroman“ absolut gerecht, da es sich hier nicht nur um ein weiteres Werk in der großen Flut der „Thriller“ handelt, sondern Voltenauer augenscheinlich Wert darauflegt, dass seine Figuren mehrdimensional sind und sich während des langen Zeitraums, den die Erzählung umfasst, weiterentwickeln. Sei es positiv oder negativ!
Ein mitreisender und bewegender Krimi, der auf vielfältige Art und mehreren Ebenen die Frage nach unserer kulturellen und persönlichen Herkunft, unserer Prägung und unserem Wunsch nach dem „Wo-kommen-wir-her?“, „Wer-und-wie- waren- meine-Vorfahren?“ thematisiert. Der Leser darf eine spannende und ungewöhnliche Suche erwarten!

Lupus – alles Böse kehrt zurück | Tibor Rode
Die Angst vor dem Wolf ist wie eine Urangst des Menschen. Und sie pflanzt sich scheinbar, tradiert durch Märchen und Mythen, von einer Generation zur nächsten, obwohl der Wolf nur sehr, sehr selten in unserem Alltag anzutreffen ist. Aber er ist zurück! Und somit kommt scheinbar auch die Angst deutlicher zurück. Tibor Rode führt uns diese Angst vor Augen, spielt mit dieser Angst in uns. Aber in Lupus geht es bei weitem nicht „nur“ um einen Wolf – es geht nicht nur um eine animalische Killermaschine. Nein! Es geht darum, wie die totalitären Systeme Nazi-Deutschlands und der DDR-Diktatur eventuell auf vielen Ebenen immer noch Einfluss auf uns haben. Es geht aber auch um die kapitalistische Wirtschaft, die vor allem den Profit sieht und es geht um ein Familiendrama. Viel für einen Thriller, aber nicht zu viel für Tibor Rode.Vor allem diese Kombination der verschiedenen Themen, macht dieses Buch zu einem Hingucker auf dem großen Markt dem täglich neu erscheinenden Massenmarkt der Thriller, das sich deutlich hervorhebt – abhebt!

Die Kriminalistinnen – Acht Schüsse im Schnee | Mathias Berg
Bitte keine Schubladen! Einige werden versuchen „Die Kriminalistinnen – Acht Schüsse im Schnee“ als ein Buch in der Masse der Regionalkrimis abzutun, andere werden es vielleicht in der Menge der historischen Krimis ansiedeln, ABER: Um diesem Buch wirklich gerecht zu werden, sollten wir es vor allem als das Ansehen, was es ist: Einen sehr, sehr guten Krimi! Und noch mehr: Mathias Berg ist es gelungen ein differenziertes Portrait der bundesdeutschen Gesellschaft Anfang der 70er Jahre zu kreieren! Das Buch besticht durch die Kunst eine Zeitreise mit uns durchzuführen und gleichzeitig als Pageturner die Spannung durchweg beizubehalten
Altbier, Katja Ebstein, Frikadellen, Gürkchen, Doornkaat und die „Grüne Minna“! Willkommen in den 70ern – die Illusion ist perfekt. Wir machen eine Zeitreise! Ich gebe an dieser Stelle wieder einmal zu, dass ich sehr, sehr kritisch bin, wenn es um historische Romane/Krimis geht. Denn wenn nur ein Baustein hier falsch gesetzt wird – ein Anachronismus – so bricht die Illusion sofort zusammen. Aber Mathias Berg versetzt uns wirklich ins (snobistische) Düsseldorf 1970. Und ich weiß, wovon er spricht, denn ich komme vom Niederrhein, im Gegensatz zum gebürtigen Stuttgarter. Ich bin begeistert, denn wir alle haben sofort die bunte Mode, von Mini zu Maxi vor unserem inneren Auge!

Tode, die wir sterben
Tja, dann „Willkommen an der genau richtigen Stelle des Lesens!“
Schicksalsschläge kommen ungefragt und mit schrecklichen Konsequenzen in unser Leben. Doch für Kommissar Jon Nordh kommt es doppelt hart. Denn neben dem plötzlichen Verlust seiner Frau, muss er damit Leben, dass er wohl hintergangen wurde. In dieser Situation wird ihm die eigenwillige und äußerst wehrhafte Svea Karhuu als neue Kollegin zugeordnet. Da fällt es schwer den Kopf beisammenzuhalten. Natürlich muss es zwangsläufig bei einem solchen neuen Team, bestehend aus zwei so starken Persönlichkeiten auch mal zu Reibungen kommen. Das schafft Klarheit und Respekt.
Das bemerkenswerte Autorenduo Voosen und Danielsson ist schon lange auf dem Erfolgspfad. Mit „Tode, die wir sterben“, starten sie mit einem neuen schwedischen Kommissarenduo.

Yoko | Bernhard Aichner
Wie kommt ein Autor auf die Idee, sein Buch, seine Hauptperson ausgerechnet nach der Frau zu benennen, die von 90% aller Beatles-Fans auf der Welt (inklusive mir) als Haupttäterin für die Spaltung dieser Musikgötter verantwortlich gemacht wird? Sollte es zeigen, dass man mit solch einem Namen auf dieser Welt schlechte Karten hat? Das schon vor ihrer Geburt die Welt es nicht gut mit ihr meinte? Oder ist es der versöhnliche Versuch den Namen „Yoko“ irgendwie ins Positive zu ziehen?
Bernhard Aichner ist eigenwillig, klar und direkt. Er ist ein sarkastischer Grenzgänger, liebt den (und spielt daher mit dem) morbiden Charme, den wir aus vielen seiner vorherigen Werke kennen. Eigentlich sind es immer ganz „normale“ Personen, die beim etwas genauerem Hinschauen, dann schon gar nicht mehr normal sind. Und daher lieben wir sie! Sie haben etwas von uns – wir identifizieren uns schnell mit ihnen. Und so ist erst einmal auch Yoko, die Menschen ihrer Umgebung und die Geschichte von Yoko, die wir in Rückblenden erklärt bekommen.

Finster | Ivar Leon Menger
Mit dem dritten erfolgreichen Buch ist man am Autorenhimmel wohl ein etablierter Autor. Und somit bin ich mir vollkommen bewusst, dass Ivar Leon Menger nun in Deutschland zu den etablierten Autoren gehören wird. Denn mit seinem nun dritten vorgelegten Thriller „Finster“, wird er erneut großen Erfolg haben! Woher ich mir hier so sicher bin? Ivar Leon Menger hat es geschafft, dem Druck – der bestimmt auf ihm und seiner Kreativität gelastet hat – standzuhalten und eine packende, mitreißende Geschichte zu erzählen, die den Leser nicht eher Ruhen lässt, bis er die letzten Seiten erreicht hat. Respekt vor dieser Leistung, an der so manche – zuvor hochgelobte Autoren – gescheitert sind. Dieses Buch zu lesen hat Spaß gemacht! Und ich gebe zu: es war leider ein viel zu kurzes Lesevergnügen, da ich es durchgesuchtet habe. Ja, ich habe es fast an einem Tag am Stück gelesen (und hätte dies getan, wenn nicht auch meine Welt noch andere Dinge außer Menger-Thriller beinhalten würde). Fazit also: Top! Es war wunderbar zu lesen, dass Menger auch nach „Als das Böse kam“ und „Angst“, das Niveau eines besonderen Thrillers hält. Hier hat sich jemand die Zeit genommen wieder einmal eine besondere Geschichte zu kreieren. Kein Abklatsch, keine dauerhafte Masche wird hier gefahren – wie bei manchen hochgehypten deutschen Krimiautoren, die viel zu schnell „Neues“ auf den Markt bringen – sondern etwas Innovatives und Anderes präsentiert Menger hier. Das macht Spaß, hält die Spannung und man freut sich auf weitere Werke!