Die großen Rätsel der Weltgeschichte | Melina Hoischen Erschienen bei Knaur (Rezensionsexemplar, also Werbung) History…
Schlagwort: Geschichte

Das Leben fing im Sommer an | Christoph Kramer
Ein Fußballer schreibt einen Roman? Ja, und er scheint auch viel gelesen zu haben. Ein Buch, eine Zeitreise ins – für die Deutschen – denkwürdige Jahr 2006. Und es geht bei weitem nicht primär um Fußball. 2006 – wer da in der Jugend war, ist ein Millennial (zwischen 1980 bis 1995 geboren). Und dieses Lebensgefühl bringt Christoph Kramer in seinem Roman, gespickt mit vielen autobiographischen Zügen, herrlich auf den Punkt: Mit ForYou-Tasche, Tattooketten an den Hälsen der Mädchen, SchülerVZ, Sony Erikson Handys, ICQ. Darüber hinaus haben viele Kids eine kleine Karriere im Pokémon oder Yu-Gi-Ho-Karten sammeln hinter sich. Alle guten Dinge, die geschehen, sind entweder krass oder stabil. Zur Kommunikation schreibt man noch SMS. Und die Musik? Tja, die kann z.B. von Timberland oder Natascha Bedingtfield sein. Eine wunderbare Zeitreise in die Jugend der Millennials. Überhaupt viele, viele Bilder für alle, die damals schon lebten; die in der Zeit des Sommermärchens dabei waren.
Aber auch für junge Leser und Leserinnen, die das Gefühl jugendlicher Liebe verstehen, erleben und ergründen wollen. Wie schon das Cover andeutet, ist eine ganze Portion New Romance im Buch und Kramers Welt ist sehr cozy. Er wächst in einer Umgebung auf, die harmonisch, alterstypisch, etwas dörflich ist (obwohl es sich mit Solingen schon um eine „richtige“ Stadt handelt) und auch den Hauch von der nostalgischen „guten, alten Zeit“ hat. Obwohl alles gerade einmal 20 Jahre her ist.

Das Karfreitagsgefecht – Deutsche Soldaten im Feuer der Taliban | Wolf Gregis
„Krieg ist Chaos“, sagte einst der Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee Norman Schwarzkopf während des 2. Irakkriegs. Und genau in dieses Chaos gerieten am 2. April 2010 Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan. Der Tag ist im Nachhinein ein absoluter Wendepunkt der bundesdeutschen Armee. Zuvor nur in dauernder Vorbereitung einer möglichen Landesverteidigung, war man nun inmitten eines Krieges angekommen. Alles was man über Jahrzehnte durchdacht, geplant, überlegt und geübt hatte, wurde nun mit einem Schlag Wirklichkeit – keine Zeit mehr Dinge zu durchdenken. Zwei Tage später brachte es der damalige Verteidigungsminister von Guttenberg endlich auf den Punkt, was eigentlich schon längst hätte deutlich – für die Truppe und die Öffentlichkeit – artikuliert werden müssen: Die Bundeswehr war im Krieg. Eine Realität, die bis heute von vielen Teilen der Bevölkerung nicht eingestanden wird, da man sich doch als demokratisches Deutschland lange darin sonnen wollte, dass alle anderen Kriege führen oder in Kriege geraten – nur wir nicht. Es gilt gerade heutzutage sich wieder deutlich zu machen, dass auch dieser Teil zu einem souveränen Staat gehört. Dabei kann dieses Buch helfen zu verstehen, was kriegerische Handlungen in unserer Zeit bedeuten.

Der hundertjährige Krieg um Palästina | Rashid Khalidi
Wir hören viel vom Krieg im Nahen Osten. Wir glauben viel zu wissen vom Krieg im Nahen Osten. Aber alleine schon die Nennung des Konflikts zwischen der arabischen Bevölkerung und jüdischen Bevölkerung in dem Land, das offiziell Israel heißt und von vielen Palästina genannt wird, heißt im Konflikt zu sein – eine wertneutrale Sicht, der über 100 jährigen Auseinandersetzung scheint nicht möglich. Große Gefühle von Hass, Wut, Rache – sensible und sentimentale Gefühle von Religion und des Unverständnisses geben wenig Chancen für eine wirkliche Geschichtsschreibung. Und doch tun wir jedes Mal so, als ob die kriegerischen Auseinandersetzungen im heutigen Israel etwas vollkommen Neues wären und als ob die Lage so klar wäre. Je nach Sicht ist die eine oder die andere Seite Haupttäter eines sich ständig neu erfindenden Krieges. Aber wer einen Augenblick länger hinschaut, wird verwirrt sein, wird die lange Kette des Krieges als einen großen – fast hundertjährigen Krieg – erkennen.
Rashid Khalidi ist amerikanischer Historiker mit palästinensischen Wurzeln. Seine Familie gehört schon lange zum Bildungsbürgertum und sein Großvater gründete die weltweit bekannte Khalidi-Bibliothek in Jerusalem – bekannt für ihre große Sammlung arabischer Manuskripte. Dort startete er auch sein umfangreiches Buchprojekt. Khalidi, macht seine deutlich palästinensisch geprägte Sicht dieses scheinbar nicht endenden Krieges deutlich, indem er von einer Geschichte von Siedlerkolonialismus und Widerstand spricht. Sein Fachwissen ist beeindruckend, seine Analysen trotzdem vielschichtig. Im März 2024 aktualisierte er sein Werk (in einem Nachwort) aufgrund des Angriffs der Hamas auf Israel und den massiven militärischen Reaktionen Israels.

Die Akte Madrid | Andreas Storm
Sehr zeitnah zum ersten Band von Andreas Storms „Lennard Lomberg Reihe“, habe ich nun also den zweiten Band mit großen Schritten durchgelesen, wohlwissend, dass das wohl für einen Autor nicht das Erstlingswerk das schwierigste Werk. Nein, es ist wohl das zweite Buch, in dem er beweisen muss, dass das fabelhafte erste Werk kein Zufallsprodukt war, sondern auf Können, Kreativität und Talent beruht. Und was soll ich lange drumherum reden? Andreas Storm hat diese hohe Prüfung eines Autors mit Bravour bestanden. Mit der Akte Madrid hat er fasst fließend an seinen ersten Kriminalroman „Das neunte Gemälde“ angeschlossen. Auch dieses Buch ist für Fans von guten, niveauvollen historischen Romanen ein durchweg mitreisendes Buch. Darüber hinaus tauchen wir wieder tief in die europäische Kunst- und Kulturszene ein, wenn sein Protagonist, der Kunstschätzer Lennard Lomberg, auf die Suche nach einem verschollenen oder gar entführten Meisterwerk ist. Beutekunst! Hauptambiente ist – neben einer Vielzahl europäischer Städte und Landschaften – Spanien. Überhaupt handelt es sich bei diesem Werk um einen europäischen Krimi und somit einen sehr modernen Krimi. Frei nach Suedes: „Europe is our playground“!

Hunsrücker Lebensbilder Band 1 | Leona Riemann
Schauen wir in die Geschichte, wird unser Blick doch schnell durch die großen Schlaglichter der Weltgeschichte geblendet, die das „normale Leben“ unserer Vorfahren zwar beeinflussten, aber bei weitem nichts über ihr alltägliches Leben, ihre Leiden, ihren Kummer, ihre Sorgen, aber auch ihre Freuden erzählen. Sozial- und Alltagsgeschichte, Regionalgeschichte, die Biografien der „normalen Menschen“ wie „Du und Ich“, geben uns doch zumeist weitaus mehr Einblick in das Leben unserer Vorfahren oder auch Vorstellungskraft, wie wohl unser Leben dort gewesen wäre. Aber diese Formen sind weitaus seltener, da die Quellenlage oft mäßig ist. Da ist es gut und wichtig, dass es Autoren gibt, die regional und lokal forschen. Autoren, die an ihren Orten Lebensgeschichten suchen und Formen überlegen, wie man – trotz der geringen Quellenlage – diese Geschichten vermitteln kann.
Leona Riemann erzählt uns solche Geschichten aus dem Hunsrück. Ihre „Hunsrücker Lebensbilder“ sind Lebensgeschichten und Geschichten aus dem Leben. Alltäglichkeiten und Ereignisse, die den Alltag und das Schicksal dieser Menschen plötzlich änderten. Ihre Erzählungen fußen auf historischen Geschehnissen, die sie in ihren emphatischen Erzählungen ausführt, wieder zum Leben erweckt. So begegnen wir einigen Einwohnern dieser Gegend wieder auf sehr lebendige Art und Weise.

Die Deutschen in der Welt | David Blackbourn
Es ist schon interessant zu sehen, wie unser Land, dessen Einwohner sich zurzeit so oft über seinen Niedergang beschweren, ja, darüber was alles nicht richtig läuft und die sich daher derzeit oft als Verlierer empfinden, in der Welt angesehen wird. Denn ganz anders werden wir Deutsche, unser Land und unsere Leistungen von außen betrachtet. Auf dem Anholt-Ipsos Nation Brands Index (NBI) belegte Deutschland 2021 zum siebten Mal hintereinander den ersten Platz (und 2023 den zweiten Platz). Es lohnt sich also auch hier – wie auf vielen Gebieten – den professionellen Blick eines Außenstehenden anzuhören oder durchzulesen, um vielleicht etwas mehr Objektivität in seinem eigenen Blick zu erhalten. Der britische Historiker David Blackbourn, der in Cambridge promovierte und lange Zeit in Harvard lehrte, ist seit langem ein solcher Profi auf dem Fachgebiet „Deutschland“. In seinem Werk „Die Deutschen in der Welt“ möchte er eine neue Deutsche Geschichte schreiben – eine globale Perspektive, für ein globales Zeitalter. Blackbourn spricht selbst davon, dass er seine Netze weit ausgeworfen hat: Politik, Krieg und Frieden, Wirtschaft, Kultur, Geschlecht, Bildung Naturwissenschaft, Umwelt, Rasse oder auch Religion sind seine Themen. Immer mit dem Blick, wie haben die Deutschen in der Welt agiert. So entstand nicht nur ein Buch über den Einfluss Deutscher auf viele Entwicklungen in der Welt, sondern ein Buch über den Blick von außen auf uns, auf unser Land. Ein Blick, der uns Einblick verschafft, wie wir als Deutsche gesehen, verstanden und eingeschätzt werden.

Der Krieg der Worte
Es herrscht Krieg in vielen Teilen der Welt – nicht nur militärisch. Es ist ein verbaler Krieg, um Bedeutungshoheiten. Wer die Bedeutung besetzen kann, kann die Massen beeinflussen, kann Narrative und Fakes produzieren, Demokratien destabilisieren, Territorien einnehmen, da er das Denken der Menschen dort einnimmt. Wir verwenden großkalibrige Worte nicht nur als Angriff, nein, sie kommen in einer Politik, die oft keine Kompromisse mehr kennt, wie ein Flächenbombardement daher. Diesen Krieg der Worte entflechtet der großartige britische Historiker Harold James in seinem neusten Werk umsichtig, geschickt, filigran und bringt – auf sehr klare Art – Transparenz in die oft nebulösen, kompakten, ja uns fast erdrückenden Kampfbegriffe vieler Politiker, Meinungsmacher und Ideologen.
Harold James hat uns damit ein sehr aktuelles Buch in die Hand gegeben. Ein Buch über die Kluft im Denken, die jeder von uns täglich erfährt und die bestimmt ihre aktuellen Höhepunkte im amerikanischen Wahlkampf oder in den Landeswahlkämpfen in unserem Land in diesem Jahr hatte, und die auch im kommenden Bundestagswahlkampf auf uns zukommen wird. Aber diese Zerrissenheit wird sich dadurch nicht lösen, sondern wahrscheinlich eher steigern. Sie wird uns mindestens in diesem Jahrzehnt, wenn nicht Jahrhundert weiter begleiten. Die Welt zwischen Weltoffenheit, Globalismus, Kosmopolitismus etc. und geschlossenen Systemen, wie Nationalsozialismus, Partikularismus, etc. Aber all diese und andere große politische Kampfbegriffe haben einen großen Wandel erfahren. Diesen gilt es zu kennen, um nicht zu schnell für irgendwas zu applaudieren. Harold James schafft es sehr gut und umfassend dies darzustellen, und zwar ausgehend von Wittgensteins „…die Grenze meiner Sprache bedeutet die Grenze meiner Welt“. James gibt uns auf beeindruckende Art Hilfe, diese Grenzen zu erweitern.

Herz der Finsternis | Joseph Conrad
„Ich kenne den Teufel der Gewalt, den Teufel der Gier und den Teufel glühenden Verlangens… Als ich jedoch an diesem Berghang stand, ahnte ich, daß ich im blendenden Sonnenschein dieses Landes einen schlaffen, heuchelnden, schwachsichtigen Teufel kennenlernen würde, von räuberischer, unbarmherziger Torheit.“
Kein Klassiker bringt uns den Ursprung des heutigen Elends, Leids, ja den Ursprung der Gewalt auf dem afrikanischen Kontinent wohl so nahe, wie Joseph Conrads „Herz der Finsternis“. Wieso? Ich denke, weil Joseph Conrad, der eigentlich Jozef Konrad Korzeniowski hieß, das, was er erzählte, wirklich erlebt hat. Zumindest sind Teile seines grandiosen und auch inhaltlich fürchterlichen Buches biographisch. Conrad ist in vieler Hinsicht ein Phänomen, erlernte er doch die englische Sprache erst mit Anfang zwanzig und verfasst dann in dieser Sprache dieses Werk – und auch andere – die Literaturgeschichte im anglo-amerikanischen Raum schreiben sollten. „Herz der Finsternis“ erzeugte über Jahrzehnte hinweg Kontroversen und wer es liest, wird dies bis heute verstehen. Nicht still wurden die Diskussionen um Auslegung, Wertung und/oder Verständnis. Es geht um Rassismus, chauvinistisches Sendungsbewusstsein und das Verschwinden von Menschlichkeit an diesem Ort. Dies alles gibt es natürlich nicht nur in Afrika (so konnte Francis Ford Coppola die Handlung in „Apocalypse Now“ nach Vietnam verlegen). Aber dort in Afrika hat diese Vergangenheit bis heute ihre Auswirkungen. Eine scheinbar immer wieder stattfindende Wiederauferstehung der brutalsten Gewalt, die Menschen anderen Menschen antun.

Abgrund | Robert Harris
Mit seinem neusten Werk „Abgrund“, ist Robert Harris einen etwas anderen Weg gegangen als in seinen vielen berühmten Werken zuvor. Bisher stand oft der Faktor der politischen Macht im direkten Focus seiner Erzählungen (z.B. wie Menschen damit umgehen und was es aus ihnen macht) und Beziehungsgeschichten zwischen Menschen wurden oft um die Handlung herum erzählt. In diesem Buch aber geht es Harris genau darum. Wie hat die Beziehung zweier Personen – neben persönlichen Konsequenzen und Konsequenzen für ihr direktes Umfeld – auch eventuell Auswirkungen auf die politischen Entscheidungen und die Machtverhältnisse eines Landes. Es macht uns auf offene Weise sehr deutlich, wie politisches Handeln der emotionalen Lage der handelnden Personen unterliegen kann.
Und Harris überzeugt gekonnt auch hier wieder. Was ist die besondere Magie von Robert Harris – warum wird es nicht langweilig ihn zu lesen? Ich muss dazu anmerken, dass ich alle seine Werke gelesen habe. Wenige Autoren erzählen wohl historische Romane so wie Robert Harris. Sein zeitweises skizzenhaftes Erzählen, lässt (trotzdem) immer die nötige Nähe zu seinen Protagonisten zu, die wir brauchen, um die Zeit, Gedankengänge, Ängste und Hoffnungen zu verstehen. Pluspunkt hierzu im neuesten Werk ist die riesige Quellenlange, die uns die Gefühle des englischen Premierminister Asquith intensiv und authentisch näherbringt.