erschienen im Herder-Verlag
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Eine eindrucksvolle Demokratin
Die Autobiographie der eindrucksvollen Journalisten und Schriftstellerin Ruth Weiss, ist bei weitem nicht die „normale“ Lebensgeschichte, die viele in der Öffentlichkeit stehenden Personen zum Ende ihres Lebens schreiben. Ruth Weiss, jüdisches Kind, aufgewachsen im Nazi-Deutschland, Journalistin im apartheitsgeprägtem Südafrika und dann im vereinigten Deutschland, setz ihr Leben in ihrer Autobiographie – fast wie interdisziplinär – in Verbindung mit ihrer Herkunft, ihrer Prägung als deutsche Jüdin, ihrem Anspruch als engagierte Journalistin und vor allem als Demokratin, die sich für die Unterdrückten und Rechtlosen einsetzte. All das ist für uns als Leser eindrucksvoll. Eindrucksvoll, wie diese, über einhundertjährige Frau, klar Stellung – auch zu aktuellen Themen – nimmt und Haltung zeigt. Ihr Lebensmotto hat sie zu ihrem Titel gemacht: „Erinnern heißt Handeln“. Und nach dieser deutlichen Aufforderung, hat sie ihr eigenes Leben gestaltet.
Auftakt zu einem engagierten Leben
Ruth Weiss beschreibt die ersten 9 Jahre ihrer Kindheit als glücklich. Sie empfindet ein großes Gefühl in ihrer Familie beschützt zu sein. Aber ihr Schicksal hat sie als jüdisches Mädchen in die Nähe von Nürnberg gebracht – der „Stadt der Bewegung“ und somit in die Gegend, die durch Gauleiter Julius Streicher, einem der grausamsten, härtesten und aktivsten Fanatikern des NS-Regimes, beherrscht wird. Als Herausgeber des „Stürmer“ zeigt er sich als besonders dienstbeflissen, so schnell wie möglich die neue nationalsozialistische Gesetzgebung umzusetzen. Ausgerechnet durch diese schreckliche Person, ist der Familie, im Gegensatz zu vielen anderen jüdischen Familien jener Zeit, die Brutalität und Grausamkeit des NS-Regimes schnell bewusst, so dass der Vater sehr früh entscheidet, zu Verwandten nach Südafrika zu emigrieren.
In Südafrika wird Ruth Weiss schon als junge Frau schnell bewusst, wie hier Entrechtung und Unterdrückung geschieht. Der Auftakt zu einem engagierten, vielleicht zeitweise rastlosen Leben, für Menschrechte und vor allem für Meinungsfreiheit.
Handeln!
Ruth Weiss schreibt nicht nur über ihr Leben – sie schreibt über viele Themen, so über Afrika, das Judentum, Israel und viele andere Aspekte, die ihr Leben prägten. Viele Teile ihrer Beschreibungen z.B. des Judentums helfen uns, einen besseren Zugang zum alltäglichen jüdischen Leben zu erhalten. Ein Einblick in Denken, Rituale und Selbstverständlichkeiten. Ihre Darstellungen über Südafrika und „Südrhodesien“ (dem heutigen Simbabwe) helfen uns Afrika näher zu kommen.
Fabelhaft sind auch ihre Querverweise in die Gegenwart, zu aktuellen Geschehnissen. Die Geschwindigkeit, mit der die Demokratie im Deutschland der 30er Jahre abgeschafft und die Diktatur aufgebaut wurde, sieht sie auch in der Entwicklung des trumpschen Amerika heutzutage. Und so ist dieses Buch für uns Leser eine klare Aufforderung. “Erinnern heißt Handeln” ist ihr Credo. “Wir dürfen nicht die Augen verschließen oder den Kopf in den Sand stecken, sondern müssen klar und deutlich dagegen Stellung beziehen…“ (Ruth Weiss). Die wichtige Quintessenz eines über einhundertjährigen Menschenlebens.