Geschichte Die letzten Stimmen des Holocaust | Louis Pawellek Textopfer, Juli 6, 2024Juli 6, 2024 Im Leben suchen wir oft nicht unsere Themen, sondern wir erhalten das Gefühl, dass die Themen uns suchen. So wirkt auch die Geschichte des jungen engagierten Autors Louis Pawellek, dessen Weg so wirkt, als hätten Fügung und Schicksal ihn langsam immer näher zum Thema des Holocaust gebracht. Und es ist begeisternd zu erleben, wie sehr ihm dieses Thema – welches in Gefahr ist, durch das langsame Aussterben der Zeitzeugen, in Vergessenheit zu geraten – zum Schreiben eines beeindruckenden Buchs gebracht hat. Pawelleks Forschungen zu einigen der letzten Überlebenden der Gräueltaten der Nazi-Diktatur ist nichts nur informativ, sondern zeigt auch, wie zufällig das Überleben und Sterben im NS-Reich hauchdünn nebeneinander verliefen. Besonders an diesem Projekt ist, dass er nicht nur die Biografien einiger der letzten Überlebenden verantwortungsvoll darstellt, sondern dass er modern und quasi interaktiv QR-Codes mit ins Buch einbringt, über die wir uns die Interviews mit diesen Zeitzeugen, die die Grundlage seiner Forschung waren, anschauen können. Wir können somit – über das Buch hinweg – die Menschen und die Wirkung ihrer Erzählungen selbst erleben. Dieses “Add On” zum herkömmlichen Weg der Aufarbeitung gebührt besondere Aufmerksamkeit. weiterlesen
Dystopie Die Zeitmaschine | H.G. Wells Textopfer, Juni 30, 2024Juni 30, 2024 Als ich als Kind den 1960 produzierten Film „Die Zeitmaschine“ eines Sonntagsnachmittags im Fernsehen sah, war ich begeistert und für mein Leben geprägt. Er hat meine Liebe zu intelligenten Science-Fiction Büchern begründet und den alten Menschheitstraum, seine eigene Zeit zu verlassen, ja überwinden zu können, auch in mich eingepflanzt. H.G. Wells hat in seiner 1895 erschienen Dystopie einen literarischen Meilenstein geschaffen. Und ich rate jedem das originale Buch zu lesen, das in seiner teils vielleicht oft unkonkreten, manchmal oberflächlichen, rudimentär wirkenden Erzählform, so viele Möglichkeiten hergibt, die Zukunft vielfach mit seiner eigenen Fantasie zu erweitern und zu ergänzen. Wells macht dies, um seinen Zeitreisenden scheinbar lebendiger zu machen, ja, um sich für damalige Verhältnissen mehr an wirklich gesprochener Sprache zu orientieren. Denn der Zeitreisende erzählt selbst seine fantastische Geschichte. weiterlesen
Roman Ein sanfter Mann | Uwe Appelbe Textopfer, Juni 23, 2024Juni 23, 2024 Schicksalsschläge fragen nicht, ob sie in unser Leben kommen dürfen – sie kommen unerwartet, ungefragt und so unverständlich für die, die sie treffen. So ergeht es René Sander. Ein junger Mann, dessen Frau plötzlich – ohne vorherige Symptome, ohne Vorwarnung – am Sekundentod stirbt. René sucht nach dem Grund, warum jemand stirbt. Er sucht die Antwort dieser tiefst philosophischen, existenziellen Frage, um zu verstehen, um akzeptieren zu können. Da treten die junge, mysteriöse Gertrud und ihre kleine Schwester Katharina in sein Leben. Sie ziehen in die freien Räume in sein Haus, die er untervermietet. Er hat schnell das Gefühl Gertrud verfallen zu sein. Sein Blick ist nach wie vor zurück auf seine Frau Ruth gerichtet, aber die junge Frau und das Kind wecken irgendwie seine Lebensgeister. Der sanfte, trauernde René zahlt Gertrud dafür, dass sie des Abends die Kleider seiner verstorbenen Frau Ruth trägt. Es gibt ihm das Gefühl, dass Ruth wirklich existiert hat. Uwe Appelbe erzählt eine eigenwillige und bei weitem nicht vorauszuschauende Geschichte. Er lässt sie wie in einem Prozess laufen – das macht sie und ihre Personen ein wenig wie unberechenbar. weiterlesen
Biographie Heinrich VIII – Der König und sein Gewissen | Sabine Appel Textopfer, Juni 16, 2024 Kein englischer Monarch ist wohl so bekannt wie Heinrich VIII, der nach fast 500 Jahren sogar zum „Helden“ einer erfolgreichen Fernsehserie mit 4 Staffeln wurde. Sex, Crime verkaufen sich gut und Heinrichs Geschichte klingt erst einmal so. Denn man kennt ihn vor allem wegen seiner sechs Ehefrauen, von denen zwei ihre Ehe und ihr Leben unter der Axt des Henkers im Tower of London beendeten. Heinrich war also ein grausamer, brutaler Renaissance-Herrscher, mit sehr viel Blut an seinen Händen. Und dies ist sein alleiniges Image in großen Teilen der Öffentlichkeit bis heute. Bildlich kennen wir ihn zumeist von den fettleibigen Bildern aus seinen letzten Lebensjahrzehnten. Aber wie alle Images wird dies der komplexen Person und seiner sehr komplexen Geschichte nicht gerecht. Heinrich startete als gutaussehenden Ritter, der vor der Geschichte seines Landes nicht versagen wollte. Geboren wurde er als Königssohn, aber nicht als Kronprinz. Und die Geschichte seines Lebens und seines Handels ist weitaus komplizierter und weniger gradlinig als wir sie uns vorstellen. weiterlesen
Geschichte Eine Geschichte Afrikas – Vom Ursprung der Menschheit bis zur Unabhängigkeit | Zeinab Badawi Textopfer, Juni 9, 2024Juni 9, 2024 Was wissen wir über Afrika? Haben wir Afrika, wenn wir über die Geschichte der Menschheit sprechen, überhaupt auf dem Schirm? Sklavenhandel und Kolonialismus fallen da vielleicht als Thema – aber Kultur? Entwicklung? Handel? Große Reiche? Große Einflüsse auf die Entwicklung der Menschheit der letzten Tausenden von Jahren? Ausgerechnet der Heimatkontinent der Menschheit fehlt zum größten Teil in vielen geschichtlichen Darstellungen. Die britische Journalistin und Autorin Zeinab Badawi hat uns mit diesem Buch endlich ein Werk geschenkt, welches in seiner Wichtigkeit zu Beginn des 21. Jahrh. gar nicht deutlich genug betont werden kann. Sprechen wir oft in der Bloggerszene von einem „Must-Read“, trifft dies zurzeit auf kein Sachbuch mehr zu, als auf dieses. Auf charmante Art rüttelt Badawi uns in Mitteleuropa wach, damit wir endlich anfangen, die “Kurzsichtigkeit der postimperialen Bildung” hinter uns zu lassen. Es geht darum die Vielfältigkeit endlich kennenzulernen, mehr Respekt vor den dortigen Kulturen zu leben – erleben und verstehen! Der Schwerpunkt des Buches ist mit Absicht so gewählt, dass es sich mehr um die vorkoloniale Zeit handelt, die im Allgemeinen in unseren Breitengraden fast gar nicht bekannt ist. Badawi betont, dass sie weg von der allgemeinen – auf schriftlichen Quellen betonierten – Wissenschaftlichkeit gehen, und bei der Fülle und Größe des Kontinents natürlich nicht eine vollständige Geschichte präsentieren, kann. Ihr Ansatz ist in vielem ein journalistischer Ansatz: Selbst erleben, vor Ort zu sein, schriftliche und vor allem mündliche Quellen nutzen. Es geht darum den Charakter des Kontinents näherzubringen – verständlicher zu machen. So ist ihr Geschichtswerk ein sehr persönliches Werk. Es ist sowohl die umfassende Reise in die Geschichte ihrer Vorfahren als auch oft ein Bericht ihrer Reisen an viele historische Orte und Ausgrabungen, die auch ich als geschichtsinteressierter Mensch bisher noch nicht kennengelernt hatte. Wirkliches Neuland für Geschichtsfreaks! Vielfalt verstehen! Wir beginnen bei der wahrscheinlich bekanntesten ältesten Bewohnerin Afrikas: Lucy – den sterblichen Überresten einer unserer Vorfahren. Lange strebte sich auch die moderne Geschichtsschreibung auf den anderen Kontinenten gegen die „Out of Africa“-Theorie, die nun heute als bewiesen angesehen wird. Es schien für viele Kulturen in Ost und West mehr eine Frage der Ideologie als der Wissenschaft zu sein. So startet Badawi mit den prähistorischen Wurzeln der Menschheit in Afrika. Besonderes Highlight ist ihre Reise zu den Hadzabe, eines der letzten Völker, fern ab unserer Zivilisation, die noch heute im Stile der einstigen Jäger und Sammler in Tansania leben. Viele afrikanische Reiche, Völker und vergangene Kulturen sind selbst bis heute hauptsächlich nur Fachleuten bekannt. Vielfältig, bunt, war und ist Afrika! Da gibt es viele weiße Flecken in unserem kollektiven Geschichtsverständnis, viel neu zu erforschen, wie z.B. das frühere Reich der Kusch im Nordsudan, dem Königreich Aksum oder der Amazigh (auch als Berber bezeichnet) in Nordafrika. Natürlich können so die vielen Völker und ihre Kulturen in einem solchen Werk nur kurz angerissen werden. Dies ist auch der Autorin bewusst, die klar formuliert, dass sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit stellt. Es wird so die unendliche Vielfalt der Geschichte der Menschen Afrikas deutlich. Und um diese Erkenntnis der Vielfalt und Verschiedenheit geht es. Das begeistert und bringt viel Lust, sich zukünftig mehr mit verschiedenen Kulturen des Kontinents zu beschäftigen – noch einmal thematisch auf sie zurückzukommen. Gute Grundlagen dazu gibt dieses Buch auf jeden Fall! weiterlesen
Krimi/Thriller Alsensund | Per Sjørndahl Textopfer, Juni 2, 2024Juni 2, 2024 Es bleibt also bei mir nordisch zurzeit. Nicht nur weil es auf den Urlaub zugeht, nein, ich liebe nordische Länder – das Flair, die Landschaft, das Licht, die Stimmung! Diesmal also Richtung Norddeutschland und Dänemark! Autor Per Sjørndahl präsentiert uns Kommissar Sånbergen. Dieser ist eigentlich in den Norden Dänemarks strafversetzt. Als jedoch eine junge dänische Frau tot und seltsam makaber präpariert auf der deutschen Seite im Grenzgebiet gefunden wird, ruft man ihn zurück. Såndenberg hat deutsche Wurzeln und das kann bei der Zusammenarbeit mit den Beamten aus der Bundesrepublik nur helfen. Und er ist ein sehr guter Beobachter vor allem bei den menschlichen Regungen. Såndenberg ist aber auch der Actiontyp für Verfolgungsjagten, wie er uns im Buch noch beweisen wird. Er hangelt sich von Dächern, springt auf die Heckklappe eines Lieferwagens oder konfisziert kurzerhand ein Motorrad, um an sein Ziel zu kommen. Er ist geradlinig. „Alsensund“ ist somit ein Krimi der wohltuend, (wie auch seine Hauptperson) über nationale Grenzen hinaus geht. Die einzige Frage, die es dann immer wieder zu klären gilt, ist, ob man sich siezt (wie im Deutschen) oder duzt (wie im Dänischen). Das sagt schon so viel über die hier gezeigten Mentalitäten dieser beiden Grenzvölker aus. Und der Autor liebt es auch damit zu spielen. weiterlesen
Krimi/Thriller Mord unterm Reetdach | Eric Weissmann Textopfer, Mai 25, 2024Mai 25, 2024 Nein, ich war noch nie auf Sylt und schon nach kurzer Auseinandersetzung wird mir klar: Sylt ist anders als der Rest unseres Landes. Es ist exklusiv hier zu leben, zwischen Pizzen für bis zu 1000 Euro und dem Hobokenweg, Deutschlands Straße mit den teuersten Quadratmeterpreisen. Wer hier hinzieht ist etwas oder möchte dringend etwas sein. Somit ist der Beruf des Immobilienmaklers dort bestimmt auch nicht mit dem herkömmlichen Bild über diesen Beruf zu vergleichen. Eric Weissmann setzt genau einen solchen Haus- und Grundverkäufer in den Mittelpunkt seines Sylt-Krimis. Und mit dieser Komponente ist schon der Grundstein einer besonderen Geschichte gelegt. Immobilienmakler Kristian Dennermann ist Single, kinderlos, Feinschmecker und Hundeliebhaber. Letzteres ist der Grund für den Besitz des Corgi „Prince of Wales“, dem – neben einigen interessanten Damen – seine ganze Aufmerksamkeit gilt. Dennermann ist auch der attraktive Typ, der Frauen auffällt. Wie der Name des Hundes ist alles etwas „Upper-Class-mäßig“, also stilgerecht für Sylt. Aber auch bei Kristian Dennermann ist nicht nur alles im großen Glanz. Er lebt mit einer posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund eines schrecklichen Unfalls vor 11 Jahren. Ein dunkles Geheimnis lastet auf seinen Schultern. weiterlesen
Geschichte Reisen im Mittelalter – Unterwegs mit Pilgern, Rittern, Abenteurern | Anthony Bale Textopfer, Mai 17, 2024Mai 19, 2024 Einen hohen Einsatz hat Autor Anthony Bale für sein eindrucksvolles Buch über das Reisen im Mittelalter gebracht, indem er nämlich ganze Routen aus seinen Quellen nachgereist ist und somit zeitweise total regendurchnässt war und auch mal eine Lebensmittelvergiftung abbekam. Dieses Vorgehen erinnert schon stark an experimentelle Archäologie. Respekt! Aber all dieses moderne Reisen unserer Zeit lässt sich wohl nicht mehr mit der gefährlichen und unberechenbaren Fahrt ins Ungewisse des Mittelalters vergleichen, bei dem die Reisenden wahrscheinlich oft das Gefühl hatten, einen ganz anderen Planeten zu erreichen. Bale hat viele Autobiographien, erste Reiseführer, Enzyklopädien durchgearbeitet, die irgendwo zwischen Selbstdarstellung, Phantastereien und möglichen Realitäten lagen. Eine wunderbare, abwechslungsreiche Lektüre voller Überraschungen! Und so leiden wir und/oder begeistern uns mit den vielen geschilderten Reisenden auf ihren Wegen im Mittelalter. Faszinierend, interessant und spannend ist dieses Mitterleben und Erleiden für uns heute. Vieles ist sehr menschlich, somit zeitlos und für uns heute sehr gut nachzuempfinden. Das begeistert an diesem Buch. Ein Buch voller historischer Abenteuer. weiterlesen
Krimi/Thriller Doch das Messer sieht man nicht | I.L.Callis Textopfer, Mai 12, 2024Mai 12, 2024 Berlin 1927, die Stadt pulsiert zwischen Bars, Huren, Künstlern, Reichtum und Armut, Alkohol und Kokain, Revuen, politischen Extremen, grell leuchtenden Reklamen und dem Anschein des Glamours des Filmgeschäfts. Und in dieser aufgeheizten Stadt des Chaos schlägt ein Mörder erbarmungslos zu, den bald schon alle den Ripper von Berlin nennen werden. I.L. Callis entführt uns in diese Zeit der Extreme, der instabilen Weimarer Republik. Sie erzählt uns nicht nur einen Krimi, sie erzählt uns von den Realitäten des harten Lebens in Deutschlands Hauptstadt am Ende der 20. Jahre des letzten Jahrhunderts. Deutschland lebt desillusioniert in eine Zeit der Inflation, Armut, Arbeitslosigkeit, Kriegsversehrter – ja, all dies im Kontrast zum Luxus und der Exzesse der Reichen. Ein Leben auf dem Pulverfass! Callis hat die historischen Umstände und das Leben der Endzwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts gut recherchiert – historisch und auch geografisch. Sie gibt uns die Bilder für eine Zeitreise und bettet die Geschichte tief und an vielen Stellen in diese Zeit ein. weiterlesen
Roman Im Takt des Lebens | Isabella Völkl Textopfer, Mai 10, 2024Mai 10, 2024 Isabella Völkl hat das Beste getan, wie man mit den Krisen des Lebens umgeht. Sie hat daraus ein Buch gemacht. Somit hat sie uns ein kurzes, besonderes Werk geschenkt, in dem sie ihre Gedanken und dramatische Geschichte mit Sprachkunst erzählt – uns näherbringt und uns näherkommen lässt. Die großen Wendungen und Krisen können uns weiser machen, wenn wir sie als symptomatisch für das Leben begreifen. Dies ist Isabella Völkl in ihren düsteren Stunden gelungen. Der Auftakt ihres Buches klingt wie eine düstere Prophezeiung, obwohl sie selbst betont, dass das Buch positiv wirken soll. Es soll positiv zum Leben stehen. Ein Leben, das inmitten der Vielzahl von Leben hier bei uns existiert. weiterlesen