Welch ein Werk! Ein Werk für alle Geschichtsfreaks und – fans! Für alle, die sich gerne in die tiefen der Geschichte abseilen und es lieben, dort die Welt zu erforschen und erkunden. Glanz und Größe meint hier den Aufbruch Europas in die Neuzeit. Aber für mich passt es zu diesem großartigen, voluminösen Werk, welches allein schon durch seinen Umfang (über 900 Seiten mit Quellen und Kartenteil) absolut besticht! Wie so oft, sind es Menschen außerhalb Europas, die uns die Geschichte Europas besser nahebringen. Vielleicht ist es dieser Blick von außen, der neutraler bewertet – somit nie die „Nationale Brille“ auf hat. Tim Blanning schafft dies auf jeden Fall.

Der Abstinent | Ian McGuire
Ich mag gut recherchierte historische Romane, die mal nicht an den typischen Orten (London, Rom, Paris) und mit den typischen, historischen Personen (berühmten Könige, überhaupt Blaublütern aller Zeiten, berühmten Politiker, etc.) spielen. Somit ist „Der Abstinent“ eine wunderbare, willkommene Abwechslung im Genre! Schauplatz hier ist eine der englischen Metropolen der Industriellen Revolution: Manchester in den 1860er Jahren. Eine schmutzige, laute, quirlige Stadt der Arbeiter und mittendrin der immer wieder aufkeimende Konflikt zwischen England und den Iren, die hier eine Art Enklave haben. Solch ein Ort in solcher Zeit ist Schmelztiegel der politischen Probleme, ist Schmelztiegel zischen „Oben“ und „Unten“, zwischen Bevölkerung und Staatsvertretern, zwischen den Nationalitäten. Wenn dann noch eine Winzigkeit geschieht, können schnell die sozialen Probleme alles zum Explodieren bringen. Somit sind hier Ort und Zeit eine geniale Wahl!

Adieu, Osteuropa – Kulturgeschichte einer verschwundenen Welt | Jacob Mikanowski
“Das kaleidoskopartige Muster aus Sprachen, Berufen und Gesellschaftsklassen, das das Leben in Osteuropa strukturierte, wirkte auf Außenstehende oft rätselhaft, aber auch für Einheimische konnte es eine Herausforderung darstellen.”
Und so wirkt es bis heute auf uns! Jacob Mikanowski erzählt hier liebevoll und emphatisch diese Geschichte, in der Form einer Kulturgeschichte!
Es gibt kein Land, das Osteuropa heißt oder Menschen, die sich als Osteuropäer sehen. Daher hat dieses Buch einen wunderbaren, bezaubernden Ansatz dieser Geschichte Osteuropas, es sieht das historisch Verbindende in vielen Teilen gelebter Kultur. Dort spricht wohl kaum jemand von einer Geschichte, sondern von lettischer oder ukrainischer, etc. Geschichte. Es ist also in diesem Buch erst einmal der Blick von außen auf einen gemeinsamen Kulturraum – von sich gegenseitig prägenden Ländern. Ein Blick auf viele Länder, die während der Sowjetzeiten oft so grau wirkten und die in ihren Nationalitäten, Religionen, Geschichten so vielfältig und bunt sind.

Frauengeschichten – Kulturgeschichten aus Kunst und Musik | Anja Weinberg
Wo finden wir sie in der Geschichte? Die Frauen in der Musik, Kunst Kultur? Gab es sie? Oh, ja!
Anja Weinberger gibt uns in ihrem Buch viele Antworten dazu! Ein Buch, das durch viele Geschichten in Form von individuellen kurzen Biografien, ja, durch viele Darstellungen von Frauenleben in den Jahrhunderten eine klare Antwort gibt: Sie waren immer da! Wir müssen uns nur die Mühe machen, genauer hinzuschauen- die Mühe machen sie zu finden. Und es ist spannend dies gemeinsam mit der Autorin zu erforschen! Wir erleben Frauen, die um ihr Werk und Ansehen kämpften, aber auch zeitweise “schräge Typen” waren.

Noch wach? | Benjamin von Stuckrad-Barre
Ja, ich habe nun ein Buch gefunden, das ich des Öfteren in diesem Jahr auch einigen Menschen, aus gegebem Anlass, schenken werde. Denn ich kenne solche Typen! Männer, irgendwo zwischen Mitte 30 bis Mitte 60, die sich jenseits von Gesetzen, Regeln, Verpflichtungen (welche nach ihrer Meinung für andere, aber nicht für sie gelten) empfinden. Ständig unter Strom! In ihrem Umfeld mächtige Männer oder die, die immer mächtig wirken möchten. Für die Bildung, Wissen, Erfahrung nicht unbedingt viel zählen – die sich lächerlich darüber machen! Die in ihrem Allmächtigkeitsgefühl nerogleich nur noch ihre Wahrnehmung und Wahrheit ausleben, akzeptieren und Unterwerfung erwarten. Kritik wird sofort bekämpft – Kritik bedeutet Krieg!

Moral – Die Erfindung von Gut und Böse | Hanno Sauer
Ja, und wir brauchen es mehr denn je! Unsere “Moral” ist zurzeit scheinbar im Dauerkrisenmodus und scheint sich in linken und rechten Identitätskonflikten aufzureiben. Wer glaubt, dass dies ein Thema von Vorgestern ist, muss beantworten, wie wir zukünftig zusammenleben wollen und sollen. Daher ist dieses Buch zutiefst aktuell und absolut am Puls der Zeit! Und ich gebe zu: Es fällt mir an dieser Stelle sehr schwer nicht zu spoilern, weil es nun so viel aus diesem Buch zu berichten gäbe!
Sprechen wir über Moral, klingt doch im Allgemeinen darin für uns schnell ein Verbot, etwas von Restriktion, mit. Ja, etwas, dass unser Handeln, unsere Freiheit einschränkt. Aber die Moral in unseren Gesellschaften ist etwas tief Verbindendes – gemeinsame moralische Vorstellungen sind der Kitt der Gesellschaft. Gleichzeitig kann es auch für andere Teile den Ausschluss bedeuten. Aber wir brauchen Moral – einen festen Normen- und Wertekomplex unseres Handelns. Selbst der Mensch, der sein Handeln als amoralisch einordnet, muss eine Vorstellung davon haben, was Moral bedeutet.

Die Geburt des römischen Kaiserreichs | Barry Strauss
Immer wieder setzen wir uns mit der Geschichte Roms auseinander- unzählige Male. Und warum? Weil uns alles als so typisch menschlich erscheint! Wir erkennen die Schwächen und Stärken rund um das Thema der Macht. Denn viele Geschichten haben die Züge von Parabeln. Bei der Schlacht von Actium stehen sich 31v. Chr. Marcus Antonius mit Kleopatra und Octavian mit seinem Admiral Marcus Vipsanius Agrippa gegenüber. Eine sehr heterogene Gruppe, die das Schicksal dort zusammengebracht hat. Marcus Antonius, Lebemann, Spross einer Skandalfamilie aus Rom. Dagegen: Octavian, der 18jähriger Haupterbe Cäsars und der so vor allem den türöffnenden Namen erhält. Sein Freund Agrippa, sein Unterstützer der ersten Stunde! Und – auf der Seite des großen Heerführers Markus Antonius – die ptolemäische (also eigentlich griechische), mit einem Gespür für Macht ausgestattete, ägyptische Königin Kleopatra. Ein vom individuellen Ehrgeiz jedes Einzelnen getriebene Quartett.

Die Erfindung des Rades – Als die Weltgeschichte ins Rollen kam | Harald Haarmann
Harald Haarmann hat uns viel zu sagen und ich gebe zu: Ich bin ein Wiederholungstäter! „Die Erfindung des Rades” ist mittlerweile mein drittes Werk, das ich von ihm lese.

Die marmornen Träume | Jean-Christophe Grange
Meine Umgebung hat mich wenig gesehen – in den letzten zwei Wochen! Aber dieses Buch hat mich verschlungen. Einmal begonnen, war es wie schwerer Magnetismus – es zog mich tief in sich hinein und ich wusste wieder, warum ich Jean-Christophe Granges Stil Bücher zu schreiben, Geschichten zu erfinden so verfallen bin. Ich habe alle seine Bücher gelesen – vom neusten Werk bin ich begeistert! Das ist ein wahrer Thriller! Nicht nur ein Buch, auf dem dieses Wort gedruckt ist, sondern ein Buch, in dem es auf über 600 Seiten, Seite für Seite geschieht! Keine Seite zu lang – was wir leider immer wieder bei vielen Büchern erleben. Und Grange kennt den Takt! Und zwar indem man wie bei einem Saiteninstrument die Saite spannt, sie leicht auch einmal lockert, aber eigentlich nie die nötige Tonalität verlässt! Alles bleibt durchweg stimmig. Grange ist – nach wir vor – einer der Spitzen im europäischen Thriller-Krimigenre!
Ich werde – um den Thrill für alle beizubehalten – hier nichts spoilern, nichts vom Inhalt hergeben! Ich erkläre aber gerne die Genialität, die Grange mit seiner speziellen Art des Erzählens und den Wendungen seiner Geschichte hier im Besonderen an den Tag legt!

Deutschland, deine Kolonien | Herausgegeben von Eva-Maria Schnurr und Frank Patalong
Deutschland sah sich lange, lange Zeit – aufgrund seiner Geschichte als verspätete Nation auch – als eine verspätete Kolonialmacht, d.h. mit weniger Verantwortung. Bei diesem Thema verwies man gerne auf die anderen europäischen Mächte, wie England, Frankreich, Portugal, etc. Zwar stimmt es, dass das Deutsche Reich erst später Kolonien bildete, jedoch beginnt nicht erst dann die Geschichte eines deutlichen Kolonialdenkens – nicht erst als man seinen „Platz an der Sonne“ hatte! Und vor allem war dieses deutsche Sendungsbewusstsein nicht minder rassistisch, grausam und menschenverachtend in seiner Vorgehensweise, seinem Handeln und Konsequenzen als das der anderen Europäer.