Die marmornen Träume | Jean-Christophe Grange Textopfer, März 26, 2023März 27, 2023 Erschienen im Tropen-Verlag Abgetaucht! Meine Umgebung hat mich wenig gesehen – in den letzten zwei Wochen! Aber dieses Buch hat mich verschlungen. Einmal begonnen, war es wie schwerer Magnetismus – es zog mich tief in sich hinein und ich wusste wieder, warum ich Jean-Christophe Granges Stil Bücher zu schreiben, Geschichten zu erfinden so verfallen bin. Ich habe alle seine Bücher gelesen – vom neusten Werk bin ich begeistert! Das ist ein wahrer Thriller! Nicht nur ein Buch, auf dem dieses Wort gedruckt ist, sondern ein Buch, in dem es auf über 600 Seiten, Seite für Seite geschieht! Keine Seite zu lang – was wir leider immer wieder bei vielen Büchern erleben. Und Grange kennt den Takt! Und zwar indem man wie bei einem Saiteninstrument die Saite spannt, sie leicht auch einmal lockert, aber eigentlich nie die nötige Tonalität verlässt! Alles bleibt durchweg stimmig. Grange ist – nach wir vor – einer der Spitzen im europäischen Thriller-Krimigenre! Ich werde – um den Thrill für alle beizubehalten – hier nichts spoilern, nichts vom Inhalt hergeben! Ich erkläre aber gerne die Genialität, die Grange mit seiner speziellen Art des Erzählens und den Wendungen seiner Geschichte hier im Besonderen an den Tag legt! Neue Weg des Autors – ein historischer Roman! Es ist mehr als mutig, wenn ein renommierter Autor seine gewohnten Wege verlässt. Und ich gebe zu, dass ich verwundert war als ich hörte, dass Grange einen historischen Thriller, angesetzt in der Zeit des Nationalsozialismus, schreibt. Denn bei historischen Bezügen bin ich immer sehr kritisch. Passt ein Mosaikstein der geschichtlichen Umgebung nicht, bricht bei mir die gesamte Kulisse und Illusion, die ein solches Werk braucht – damit es mich mitnehmen kann – in sich zusammen. Doch der Autor hat phänomenal recherchiert! Sei es bezüglich der historischen-politischen Zusammenhänge kurz vorm Ausbruch des 2. Weltkriegs oder bezüglich der Kulissen des historischen Berlins, das heute nun mal so nicht mehr zu finden ist. Auch sind die Denkprozesse der fiktiven Personen stimmig – ihre Ängste, Befürchtungen, Meinungen, Möglichkeiten, Grenzen und Ansichten. Alles wirkt sehr real und könnte so geschehen sein. Noch mehr neue Wege Auch war ich sichtlich irritiert, dass Grange seinen Thriller in Deutschland ansetze. Ich fand seine morbide, kühle Atmosphäre in den vorherigen Werken immer passend zu den vielen feuchten Lost-Places, Überbleibseln des mittelalterlichen, katholisch geprägten Frankreichs. Auch als einige seine Romane die koloniale Geschichte Frankreichs aufgriffen, war alles stimmig. Hier passte die unzähmbare Wildheit Afrikas, gepaart mit der kühlen, brutalen Schrecklichkeit des Erzählens eines Granges in fabelhafter Symbiose zusammen. Aber jetzt Deutschland? Konnte es funktionieren? Passt ein Grange dorthin? Es passt! Und es wirkt, als ob Granges kühle, krasse, direkte Art seiner Erzählweise auf besondere Art zu diesem besonderen Kapitel der Geschichte passt. Darüber hinaus muss man bei seinen Geschichten immer mit allen Formen der Brutalität und der Abgründe menschlichen Verhaltens rechnen. Was würde also besser passen, als in solch einer Form die Atmosphäre der Zeit des Nationalsozialismus darzustellen. Fanatismus kennt in seiner Konsequenz keine Grenzen – keine menschlichen Grenzen des Handelns. Fanatismus erlaubt sich über Menschlichkeit hinwegzugehen – Fanatismus holt das animalische im Menschen heraus! Und so spielen Euthanasie, Rassismus, Sexismus, Nationalismus in ihren brutalsten Formen hier eine Rolle. Wir müssen jederzeit mit allem rechnen – wie die Menschen im NS-Reich. Darüber hinaus ist Grange ein Meister darin, die psychologischen Abgründe und Triebfedern des Menschen darzustellen. Neuer Maßstab Granges Werk ist mehr als ein Krimi – es transportiert uns direkt in die Zeit des menschenverachtenden deutschen Faschismus! Er hat damit einen neuen Maßstab gesetzt, wie man sich im historischen Roman dem Nationalsozialismus nähern kann. Seine Personen sind vielschichtig – nicht eindimensional im Gut-Böse-Raster. Viele Werke solcher Art von anderen Autoren wirken neben ihm naiv. Grange hat hier für sich und wahrscheinlich für dieses Genre eine neue Türe aufgemacht. Wir sind gespannt, was kommt! Krimi/Thriller GrangeThriller