Unsere Gesellschaft steigert und spaltet sich immer extremer im Streit. Es erscheint, dass die verschiedenen Pole sich immer unversöhnlicher gegenüberstehen! Ein Stein z.B. des Anstoßes: Political Correctness der Sprache! Aber geht es hier überhaupt um Sprache? Geht es nicht darum bestimmtes Denken, bestimmte Meinungen zu verbieten? Geht es um die Sprachpolizei oder gar um orwelsches Neusprech? Woke-Sprache oder Intoleranz? „Cancel Culture“ ist das Reizwort! Und Julian Nida-Rümelin nähert sich diesem Thema philosophisch gekonnt und souverän. Mutig ist ein solches Buch zu dieser Zeit in dieser Gesellschaft, denn es gleicht emotional bei vielen Gruppierungen in unsrer Zeit einem Minenfeld. Dazu geht Nida-Rümelin geschickt in die Geschichte der Philosophie. Die Beispiele wirken oft wie Analogien. Deutlich wird, dass es den Versuch, unliebsame Meinungen moralisch zu unterbinden – ja, eventuell sie ganz auszulöschen, immer schon gab. Nida-Rümelin hilft mit seinem Weg dem Thema etwas die vorgefertigte emotional verkrustete Meinung zu nehmen. Es wird wieder sachlicher! Wir beginnen uns kritisch mit der Methode auseinanderzusetzen und sind weniger in z.B. Geschlechts- und/oder Gesellschaftsdebatten.
Kategorie: Sachbuch

Anatomie des Verbrechens – Meilensteine der Forensik | Val McDermid
Ein Sachbuch? Bei dieser Autorin? Habe ich etwas falsch verstanden? Ich war verwundert, als ich den ersten Werbehinweis auf dieses Buch in die Finger bekam. Und was es für ein Sachbuch ist! Mehr als nur das eigentliche Thema über die großen Meilensteine der Forensik. Nein, wir lernen etwas über diese erfolgreiche schottische Autorin selbst. In der Dynamik so vieler Sätze und Abschnitte dieses Buches verrät Val McDermid, was sie an Mord, an Verbrechen fasziniert. Diese Motivation, diese Neugierde steckt an! In akribischen wissenschaftlichen Rekonstruktionen von Tathergängen, präsentiert sich hier eine Fachfrau. Hier lernen wir wahrscheinlich- weit weg von ihren mitreißenden Krimis – die wahre Motivation der Erfolgsautorin kennen. Und man liest begeistert, welches Wissen sie von dieser besonderen Wissenschaft hat. Auch wenn es zum Beispiel einmal unappetitlich wird und wir das Arbeiten von Maden oder Schmeißfliegen (die mit zwei Haken an ihrem Mund verwesendes Fleisch zerkleinern können) geht.

Glanz und Größe – Der Aufbruch Europas 1648 – 1815 | Tim Blanning
Welch ein Werk! Ein Werk für alle Geschichtsfreaks und – fans! Für alle, die sich gerne in die tiefen der Geschichte abseilen und es lieben, dort die Welt zu erforschen und erkunden. Glanz und Größe meint hier den Aufbruch Europas in die Neuzeit. Aber für mich passt es zu diesem großartigen, voluminösen Werk, welches allein schon durch seinen Umfang (über 900 Seiten mit Quellen und Kartenteil) absolut besticht! Wie so oft, sind es Menschen außerhalb Europas, die uns die Geschichte Europas besser nahebringen. Vielleicht ist es dieser Blick von außen, der neutraler bewertet – somit nie die „Nationale Brille“ auf hat. Tim Blanning schafft dies auf jeden Fall.

Adieu, Osteuropa – Kulturgeschichte einer verschwundenen Welt | Jacob Mikanowski
“Das kaleidoskopartige Muster aus Sprachen, Berufen und Gesellschaftsklassen, das das Leben in Osteuropa strukturierte, wirkte auf Außenstehende oft rätselhaft, aber auch für Einheimische konnte es eine Herausforderung darstellen.”
Und so wirkt es bis heute auf uns! Jacob Mikanowski erzählt hier liebevoll und emphatisch diese Geschichte, in der Form einer Kulturgeschichte!
Es gibt kein Land, das Osteuropa heißt oder Menschen, die sich als Osteuropäer sehen. Daher hat dieses Buch einen wunderbaren, bezaubernden Ansatz dieser Geschichte Osteuropas, es sieht das historisch Verbindende in vielen Teilen gelebter Kultur. Dort spricht wohl kaum jemand von einer Geschichte, sondern von lettischer oder ukrainischer, etc. Geschichte. Es ist also in diesem Buch erst einmal der Blick von außen auf einen gemeinsamen Kulturraum – von sich gegenseitig prägenden Ländern. Ein Blick auf viele Länder, die während der Sowjetzeiten oft so grau wirkten und die in ihren Nationalitäten, Religionen, Geschichten so vielfältig und bunt sind.

Frauengeschichten – Kulturgeschichten aus Kunst und Musik | Anja Weinberg
Wo finden wir sie in der Geschichte? Die Frauen in der Musik, Kunst Kultur? Gab es sie? Oh, ja!
Anja Weinberger gibt uns in ihrem Buch viele Antworten dazu! Ein Buch, das durch viele Geschichten in Form von individuellen kurzen Biografien, ja, durch viele Darstellungen von Frauenleben in den Jahrhunderten eine klare Antwort gibt: Sie waren immer da! Wir müssen uns nur die Mühe machen, genauer hinzuschauen- die Mühe machen sie zu finden. Und es ist spannend dies gemeinsam mit der Autorin zu erforschen! Wir erleben Frauen, die um ihr Werk und Ansehen kämpften, aber auch zeitweise “schräge Typen” waren.

Moral – Die Erfindung von Gut und Böse | Hanno Sauer
Ja, und wir brauchen es mehr denn je! Unsere “Moral” ist zurzeit scheinbar im Dauerkrisenmodus und scheint sich in linken und rechten Identitätskonflikten aufzureiben. Wer glaubt, dass dies ein Thema von Vorgestern ist, muss beantworten, wie wir zukünftig zusammenleben wollen und sollen. Daher ist dieses Buch zutiefst aktuell und absolut am Puls der Zeit! Und ich gebe zu: Es fällt mir an dieser Stelle sehr schwer nicht zu spoilern, weil es nun so viel aus diesem Buch zu berichten gäbe!
Sprechen wir über Moral, klingt doch im Allgemeinen darin für uns schnell ein Verbot, etwas von Restriktion, mit. Ja, etwas, dass unser Handeln, unsere Freiheit einschränkt. Aber die Moral in unseren Gesellschaften ist etwas tief Verbindendes – gemeinsame moralische Vorstellungen sind der Kitt der Gesellschaft. Gleichzeitig kann es auch für andere Teile den Ausschluss bedeuten. Aber wir brauchen Moral – einen festen Normen- und Wertekomplex unseres Handelns. Selbst der Mensch, der sein Handeln als amoralisch einordnet, muss eine Vorstellung davon haben, was Moral bedeutet.

Die Geburt des römischen Kaiserreichs | Barry Strauss
Immer wieder setzen wir uns mit der Geschichte Roms auseinander- unzählige Male. Und warum? Weil uns alles als so typisch menschlich erscheint! Wir erkennen die Schwächen und Stärken rund um das Thema der Macht. Denn viele Geschichten haben die Züge von Parabeln. Bei der Schlacht von Actium stehen sich 31v. Chr. Marcus Antonius mit Kleopatra und Octavian mit seinem Admiral Marcus Vipsanius Agrippa gegenüber. Eine sehr heterogene Gruppe, die das Schicksal dort zusammengebracht hat. Marcus Antonius, Lebemann, Spross einer Skandalfamilie aus Rom. Dagegen: Octavian, der 18jähriger Haupterbe Cäsars und der so vor allem den türöffnenden Namen erhält. Sein Freund Agrippa, sein Unterstützer der ersten Stunde! Und – auf der Seite des großen Heerführers Markus Antonius – die ptolemäische (also eigentlich griechische), mit einem Gespür für Macht ausgestattete, ägyptische Königin Kleopatra. Ein vom individuellen Ehrgeiz jedes Einzelnen getriebene Quartett.

Die Erfindung des Rades – Als die Weltgeschichte ins Rollen kam | Harald Haarmann
Harald Haarmann hat uns viel zu sagen und ich gebe zu: Ich bin ein Wiederholungstäter! „Die Erfindung des Rades” ist mittlerweile mein drittes Werk, das ich von ihm lese.

Deutschland, deine Kolonien | Herausgegeben von Eva-Maria Schnurr und Frank Patalong
Deutschland sah sich lange, lange Zeit – aufgrund seiner Geschichte als verspätete Nation auch – als eine verspätete Kolonialmacht, d.h. mit weniger Verantwortung. Bei diesem Thema verwies man gerne auf die anderen europäischen Mächte, wie England, Frankreich, Portugal, etc. Zwar stimmt es, dass das Deutsche Reich erst später Kolonien bildete, jedoch beginnt nicht erst dann die Geschichte eines deutlichen Kolonialdenkens – nicht erst als man seinen „Platz an der Sonne“ hatte! Und vor allem war dieses deutsche Sendungsbewusstsein nicht minder rassistisch, grausam und menschenverachtend in seiner Vorgehensweise, seinem Handeln und Konsequenzen als das der anderen Europäer.

Very British | Simone Orlik
Ich liebe die britischen Inseln, die Kultur, Lebensgewohnheiten und die (zeitweise) verschrobenen und eigenwilligen Menschen dort. Darüber hinaus ist der Humor der Briten sehr eng mit meinem verwandt. Ironie (bis zum Sarkasmus) sind das Salz in der Bewältigung des Alltags. Man sieht: Ich bin seit langer, langer Zeit Fan der Inseln und der Eigenheiten dieser Insulaner. Simone Orlik hat nun ihre Sicht auf dieses besondere britische Gefühl und was es bei uns auslöst, in ein kleines Buch gepackt. Ein Buch, das seinem ganz eigenen Weg folgt – fern ab von sachlichen Reiseführern.