Reisen im Mittelalter – Unterwegs mit Pilgern, Rittern, Abenteurern | Anthony Bale Textopfer, Mai 17, 2024Mai 19, 2024 erschienen bei S.Fischer (Rezensionsexemplar, also Werbung) Autor mit Einsatz! Einen hohen Einsatz hat Autor Anthony Bale für sein eindrucksvolles Buch über das Reisen im Mittelalter gebracht, indem er nämlich ganze Routen aus seinen Quellen nachgereist ist und somit zeitweise total regendurchnässt war und auch mal eine Lebensmittelvergiftung abbekam. Dieses Vorgehen erinnert schon stark an experimentelle Archäologie. Respekt! Aber all dieses moderne Reisen unserer Zeit lässt sich wohl nicht mehr mit der gefährlichen und unberechenbaren Fahrt ins Ungewisse des Mittelalters vergleichen, bei dem die Reisenden wahrscheinlich oft das Gefühl hatten, einen ganz anderen Planeten zu erreichen. Bale hat viele Autobiographien, erste Reiseführer, Enzyklopädien durchgearbeitet, die irgendwo zwischen Selbstdarstellung, Phantastereien und möglichen Realitäten lagen. Eine wunderbare, abwechslungsreiche Lektüre voller Überraschungen! Und so leiden wir und/oder begeistern uns mit den vielen geschilderten Reisenden auf ihren Wegen im Mittelalter. Faszinierend, interessant und spannend ist dieses Mitterleben und Erleiden für uns heute. Vieles ist sehr menschlich, somit zeitlos und für uns heute sehr gut nachzuempfinden. Das begeistert an diesem Buch. Ein Buch voller historischer Abenteuer. Zwischen Freuden, Ängsten und Sehnsüchten Und über das Thema hinaus, besticht Bale mit einem fabelhaften Schreibstil zwischen Faktenreichtum und lockerem Erzählen übers Reisen. Genauso, wie wir es lieben, wenn uns Freunde von ihren Reiseerlebnissen heutzutage berichten.Schon seit dem 13. Jahrhundert war den gebildeten Westeuropäern der „Tractatus de Sphaera“ von John of Holywood bekannt, der die kugelförmige Erde benannte. Im Gegensatz also zur allgemeinen Ansicht vieler bis heute, wussten die Menschen vor Kolumbus, dass die Erde rund ist. Dies und vieles mehr wurde dann zur Grundlage des 1491 erstellten Behaim-Globus in Nürnberg, der für die damalige Zeit ein geniales Meisterwerk war. Aber das bedeutet nicht, dass der mittelalterliche Reisende nun klare Informationen über die Welt hatte (die hier gerade mal 3 Kontinente andeutete). Nein, es war – wie Antony Bale so auf den Punkt bringt – „…eine verlockende Melange aus Folklore, Geschichte, Geographie, Anthropologie und Klatsch“. So brechen wir also mit Bale auf in die großen kosmopolitischen Städte des Mittelalters, wie z.B. Aachen, Köln, Venedig, Rom oder Jerusalem (dem Bale ein wunderbares Kapitel widmet – einem Rundgang durch die mittelalterliche Stadt). Aber auch weniger im allgemeinen historischen Fokus stehende Länder und Orte bringt uns Bale aus dieser Zeit nahe, wie Zypern, Äthiopien, Akkon oder Jaffa. Moderne Geschichtsschreibung Bales Werk präsentiert immer wieder Einschübe mit Besonderheiten, literarischen Kuriositäten aus Reiseführern und Reisebeschreibungen. Das ist klasse, unterhaltsam, informativ und oft einfach witzig. Es ist dem Autor immer wieder gelungen, zeitweise bizarre bis fabelhaft-groteske Quellen auszugraben. Auch wirkt Bales Werk im Schreibstil moderner und wenig nach überzogen ernsthaftem Bildungsgetue. All dies schafft er, ohne das Niveau zu verlieren. Wissen und Wissensvermittlung machen hier Spaß und bringen Neugier auf die Seiten, die noch vor einem liegen. Bales Sprache erinnert eher an die Dynamik und unterhaltsame Unkompliziertheit eines Bloggers. Sein Anspruch ist aber klar ein wissenschaftlicher. Bale ist wieder einmal ein Beispiel für moderne Geschichtsschreibung aus Großbritannien. Ein Beispiel, das zeigt, wie spannend und mitnehmend Geschichtsschreibung sein kann. Es wäre schön, wenn dieser Trend auch endlich einmal deutsche Akademiker erreichen würde. Eine fabelhafte Fundgrube bietet auch Bales Anhang. So gibt es – über die normalen bibliographischen Angaben hinaus – zum einen einen Überblick über die zitierten Reisenden, sowie zum anderen eine wunderbare Zusammenfassung von Fachliteratur und Quellen zum Thema. Ein rundes Werk! Geschichte GeschichteMittelalterS.Fischer