Welch ein eigenständiges und eigenwilliges Werk hat uns Adam Thirwell durch diesen Roman geschenkt! Kraftvoll, dynamisch, wortstark, in einer zeitlosen und zeitweise skurril verknüpften Umgebung. Wir sind in Frankreich der Vorrevolution und Revolution und werden auch ins revolutionäre Amerika geführt, aber gleichzeitig sind wir auch in unserer „Jetzt-Zeit“. Ein revolutionärer Erzählansatz über eine Geschichte aus einer stürmischen Revolution, über den gelebten (vor allem hier feministisch gelebten) Willen, frei von gesellschaftlichen Konventionen zu leben. Und dies fordert vollkommen überraschende Reaktionen. Es liegt Veränderung, der Wille nach mehr als dem bisherigen Leben, in der Luft. Daher sind die Personen direkt und alles hinterfragend. Thirlwells Schreibstil ist stark, wie seine Hauptperson Celine. Er inszeniert sie durchweg in den extremen Emotionen der Jugend, auch wenn sie älter wird. Diese sind voller Leidenschaft, Gedanken an Sex, Wut und Rache. Celines Auflehnen findet intensive Frauensolidarität in ihrem Kampf gegen ein Patriachat, das als natürlich gegeben um die Ecke kommt und das man nicht unterschätzen sollte.
Kategorie: Roman

The Marriage Act – bis der Tod euch scheidet | John Marrs
In seinem neusten genialen Werk hat John Marrs die dystopische „schöne neue Welt“, die uns durch die Digitalisierung und die Gefahren versagender Demokratien blühen kann, erneut fabelhaft auf den Punkt gebracht. Und ganz oft überkommt uns während des Lesens das Gefühl, dass wir sehr, sehr knapp vor dieser Welt stehen und wir schon in wenigen Monaten und Jahren in dieser Welt leben könnten. Das ist nicht das zeitliche Science-Fiktion-Katapult in eine ferne Zukunft in 200 oder 300 Jahren. Nein, das ist die mögliche, erdrückende Lebensrealität vielleicht im Jahr 2024 oder 2025. Und all dies hinterfragt unser Jetzt! Unsere naive Technikgläubigkeit, unseren eingepaukten Positivismus, in dem wir glauben, dass am Ende immer alles gut wird. Wird es aber nicht!

Der Abstinent | Ian McGuire
Ich mag gut recherchierte historische Romane, die mal nicht an den typischen Orten (London, Rom, Paris) und mit den typischen, historischen Personen (berühmten Könige, überhaupt Blaublütern aller Zeiten, berühmten Politiker, etc.) spielen. Somit ist „Der Abstinent“ eine wunderbare, willkommene Abwechslung im Genre! Schauplatz hier ist eine der englischen Metropolen der Industriellen Revolution: Manchester in den 1860er Jahren. Eine schmutzige, laute, quirlige Stadt der Arbeiter und mittendrin der immer wieder aufkeimende Konflikt zwischen England und den Iren, die hier eine Art Enklave haben. Solch ein Ort in solcher Zeit ist Schmelztiegel der politischen Probleme, ist Schmelztiegel zischen „Oben“ und „Unten“, zwischen Bevölkerung und Staatsvertretern, zwischen den Nationalitäten. Wenn dann noch eine Winzigkeit geschieht, können schnell die sozialen Probleme alles zum Explodieren bringen. Somit sind hier Ort und Zeit eine geniale Wahl!

Noch wach? | Benjamin von Stuckrad-Barre
Ja, ich habe nun ein Buch gefunden, das ich des Öfteren in diesem Jahr auch einigen Menschen, aus gegebem Anlass, schenken werde. Denn ich kenne solche Typen! Männer, irgendwo zwischen Mitte 30 bis Mitte 60, die sich jenseits von Gesetzen, Regeln, Verpflichtungen (welche nach ihrer Meinung für andere, aber nicht für sie gelten) empfinden. Ständig unter Strom! In ihrem Umfeld mächtige Männer oder die, die immer mächtig wirken möchten. Für die Bildung, Wissen, Erfahrung nicht unbedingt viel zählen – die sich lächerlich darüber machen! Die in ihrem Allmächtigkeitsgefühl nerogleich nur noch ihre Wahrnehmung und Wahrheit ausleben, akzeptieren und Unterwerfung erwarten. Kritik wird sofort bekämpft – Kritik bedeutet Krieg!

Der Sonne so nah | Axel S. Meyer
Was für eine fabelhafte Idee, die Leben zweier Pioniere der Luftfahrt in solch einer Form in Beziehung zu setzten. Zweier Personen, die ein ganz besonderes Ego hatten, mit Hartnäckigkeit, Durchsetzungsvermögen, Kreativität – zwei besondere Typen:
Ferdinand Graf von Zeppelin und Otto Lilienthal!
Und aufgrund dieser Persönlichkeiten sind die Wege sehr, sehr unterschiedlich!
Dieses Buch ist ein frühes Lesehighlight in diesem Bücherjahr, das jeden, der Spaß hat an niveauvollen historischen Romanen, eine sehr gute Zeit garantiert!

Siddhartha | Hermann Hesse
Erschienen bei Suhrkamp Klassiker ohne Ablaufdatum! Immer wieder ist es mir wichtig in diesem Blog…

Kerl aus Koks | Von Michael Brandner
Am Ende dieses Jahres durfte ich noch eines der Bücher mit dem Prädikat “Besonders beeindruckend” lesen. Ausgehend von einer wunderbaren Hommage an den klassischen Ruhrpott – mit viel Herz auf der Zunge, dürfen wir Paul durch sein unstetes Leben begleiten von Koks zu Koks. Schauspieler und Autor Michael Brandner präsentiert diesen biographisch angehauchten Roman, mit einem liebevollen und fabelhaften humoristischen Sprachwitz.

Ulysses | James Joyce
Das Internet, die Sozialen Medien sind voller Menschen, die sich als Bücherliebhaber, Bücherfans oder Büchernerds bezeichnen. Die betonen, dass sie nicht ohne Bücher können und Bücher ihnen so viel geben, und, und, und … – ihr wisst, was ich meine. ABER: Was, wenn das Buch es dir nicht leicht macht? Was, wenn du darum ringen musst es zu verstehen? Oder: Wenn auch nach über einhundert Jahren eigentlich noch immer nicht ganz klar ist, was es uns sagen will?

Die Schachnovelle | Stefan Zweig
Als ich diesen Blog begann, lag die Hauptmotivation darin, dass ich die Bücher vorstellen wollte, die besonderen Eindruck bei mir hinterlassen haben.
Hier ein wichtiges Werk dazu! Auf die Schachnovelle stieß ich sehr früh – während meiner Jugend. Es gehört zu den Büchern, die man mehrfach im Leben lesen kann, denn sie bieten immer wieder eine andere Perspektive auf die Handlung, auf die dort handelnden Personen, auf die Aussage(n).

Die Welt kippt | Heiko von Tschischwitz
„”Ist das Recht auf Klimaschutz dann ein kollektives Menschenrecht?” fragt Shannon.“ Und schon sind wir mitten im Thema!
Heiko von Tschischwitz hat uns mit seinem ersten Werk ein wirkliches Opus beschert: Ein globales Buch über ein globales Problem. Selbst nennt er dies einen Roman – beim Lesen kam mir mehr und mehr die Überschrift „Ökodrama“ in den Kopf. Denn die Welt rast mehr und mehr in ihr verderben! Und auch die Hauptpersonen verstricken sich immer mehr in ein Chaos der Gefühle. Denn sie sind nicht nur voller Leidenschaft in ihrem Kampf gegen die Klimakrise (jeder auf seine Weise), sondern auch zwischenmenschlich voller Leidenschaft, Lust und Hingebung – an den Moment oder an ihre Beziehungen.