Die fernere Zukunft | Adam Thirlwell Textopfer, Oktober 8, 2023Oktober 8, 2023 erschienen bei S.Fischer (Rezensionsexemplar) Kraftvoll, dynamisch, wortstark Welch ein eigenständiges und eigenwilliges Werk hat uns Adam Thirlwell durch diesen Roman geschenkt! Kraftvoll, dynamisch, wortstark, in einer zeitlosen und zeitweise skurril verknüpften Umgebung. Wir sind in Frankreich der Vorrevolution und Revolution und werden auch ins revolutionäre Amerika geführt, aber gleichzeitig sind wir auch in unserer „Jetzt-Zeit“. Ein revolutionärer Erzählansatz über eine Geschichte aus einer stürmischen Revolution, über den gelebten (vor allem hier feministisch gelebten) Willen, frei von gesellschaftlichen Konventionen zu leben. Und dies fordert vollkommen überraschende Reaktionen. Es liegt Veränderung, der Wille nach mehr als dem bisherigen Leben, in der Luft. Daher sind die Personen direkt und alles hinterfragend. Thirlwells Schreibstil ist stark, wie seine Hauptperson Celine. Er inszeniert sie durchweg in den extremen Emotionen der Jugend, auch wenn sie älter wird. Diese sind voller Leidenschaft, Gedanken an Sex, Wut und Rache. Celines Auflehnen findet intensive Frauensolidarität in ihrem Kampf gegen ein Patriachat, das als natürlich gegeben um die Ecke kommt und das man nicht unterschätzen sollte. Celine Celine lebt in bourgeoisen Kreisen. Sie stellt fest, dass jemand pornografische Pamphlete der Verleumdungen über sie veröffentlicht. Erfundene Geschichten und gefakte Bilder! Nicht nur über sie, aber ihre sind die wohl populärsten Druckerzeugnisse. Die Öffentlichkeit rümpft die Nase und giert danach. Was geschrieben steht hat Macht! Ihr Mann reagiert mit Streit und Abweisung – ist das Eifersucht? Oder die Angst, dass hinter den Geschichten und Darstellungen nicht eine Kampagne, sondern eine Wahrheit stecken? Sie wird ihm diese Reaktion übelnehmen und durch ihr Handeln seinen ganzen Zorn auf sich ziehen. Dies wird in Zukunft Konsequenzen für sie haben.Doch Celine ist nicht allein, denn sie hat Martha, ihre beste Freundin. Martha ist erbarmungslos und anspruchsvoll. Celine hat das Gefühl ihre gewohnte Welt hinter sich zu lassen, sie zu überwinden und in eine „ausgespülte und elektrisierte Welt” zu treten. Sie sucht die Nähe derer, die sie in die verruchte Welt katapultiert haben. Die Welt der Schriftsteller, der Künstler mit Worten, die so viel Macht haben. Doch die Revolution wird sie und die ganze Gesellschaft gefährlich durchwühlen. Und Celine stellt fest: „Die Welt ist ein einziges gigantisches Tier, das den Menschen mitnichten gehorcht und das die Aufrichtigkeit ihrer Handlung nicht respektiert.” Die Verknüpfung des Einst und Jetzt Wir sind im Frankreich Marie-Antoinettes und hören die Sprache des 21. Jahrhunderts. Wir erleben Dekadenz und Hedonismus, den Willen nach Veränderung, der die Revolution bringen wird. Diese Revolution kündigt sich in Partys, auf denen man cool sein will, auf denen man sich mit Chicas, Glamour umgibt, an. So wird die Geschichte zeitlos – zur Parabel für z.B. Sexismus, böswillige Fake News und wie andere das Bild auf uns in der Öffentlichkeit erstellen. Aber auch für das Streben nach „sich ausleben“ und die Gesellschaft ändern zu wollen. Das Ganze hat etwas tief Philosophisches und man hat an vielen Stellen das Gefühl, dass der Roman mit der Philosophie eines Michel Onfray durchtränkt ist.Thirlwell lässt uns intensiv Teilnehmen an Celines Aufbruchsstimmung in eine neue Zeit. Eine Zeit mit der Hoffnung auf mehr Freiheit für den Einzelnen. Es ist ein mutiges Buch und mutmachendes Buch. Roman PhilosophieRevolutionS. Fischer