Billie | Stefan Cordes Textopfer, September 25, 2024September 25, 2024 erschienen bei C.Bertelsmann (Rezensionsexemplar, also Werbung) Kann auch ein Autor Feminismus? Das kurze Leben der Sibylla Schwarz, die oft als pommersche Sappho bezeichnet wird und während der Schrecken des 30jährigen Krieges lebte, gibt uns bis heute große Rätsel auf. Nun hat uns Stefan Cordes einen fabelhaften, emphatischen Roman beschert, indem er uns dieses Leben und das Werk der Dichterin auf eine dezente, unterhaltsame und literarisch einfühlsame Art näherbringt. Das Werk reiht sich ein, in eine Vielzahl von Romanen und Sachbüchern in unserer Zeit, die die dringende Aufarbeitung von Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, ja den kulturellen Beiträgen von Frauen in der Geschichte deutlicher hervorheben. So gelingt dem Autor ein wichtiger und gekonnter Beitrag für den Feminismus. Aber kann „Mann“ den Feminismus wirklich so fördern, das weibliche Schreiben und die weibliche Perspektive wirklich in seiner Intensität und Wichtigkeit real darstellen? Ich finde (aus vielleicht männlich-subjektiver Perspektive): Er kann es bestens! Und ist es nicht genau das, was wir brauchen in all den – ideologisch zeitweise verbohrten – Diskursen? Ein Überwinden, der sich strikt abgrenzenden Geschlechterperspektiven, um einer Dichterin wie Sibylla Schwarz endlich das zukommen zu lassen, was sie verdient hat? Nämlich die Anerkennung als Jahrhunderttalent für alle, weit über gedachte und gemachte Grenzen hinaus. Stefan Cordes hat mit diesem Roman einen fabelhaften Weg gewählt und es macht Spaß diesen Weg hin zu „Billie“ mitzugehen. Cordes überwindet damit das Vorurteil, dass die Umsetzung und Durchführung einer solchen Annährung ein Alleinanspruch weiblicher Autoren ist. Er zeigt, dass die vorherige Ignoranz gegenüber solchen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen in der Geschichte eine für alle gesellschaftlich zu leistende Arbeit ist. Cordes Billie Cordes Billie ist eigenwillig. Sie scheint alle Sinneseindrücke in sich aufzusaugen, ist energisch unter Strom – neugierig aufs Leben. Sie liebt Bildung, dieses besondere Kind, mit besonderer Aura. Sie setzt sich mit Ovid, Petrarca, Martin Opitz und Hildegard von Bingen auseinander und finden in der griechischen Dichterin Sappho ein Vorbild, ja, eine Verbündete. So steigert sie sich wortgewandt, intelligent, mutig mit starkem Willen, innovativ, fantasievoll und mit vollem Einsatz für ihre Familie. Und Billie glaubt an die Liebe, findet wunderbare Worte und Poesie für sie. Codes lässt uns sehr lebendig am Leben der Familie teilhaben. Wir beginnen die verschiedenen Charaktere zu verstehen und mit ihnen mitzufühlen. Wir werden stille Beobachter in einer höchst dramatischen Zeit. Billie zeigt sich zwischen den Geschlechtern hin- und hergerissen. Zwischen dem intelligenten, gebildeten Samuel Gerlach, der ihr Talent fördert, und der schönen, etwas geheimnisvollen Judith Tanck. Der biographische Roman Den Schrecklichkeiten des 17. Jahrhunderts, dem Krieg, dem Hunger und der Pest, indem der Tod der Menschen auf bestialische Weise in vielfältiger Art entgegenkam, setzt Cordes durch Billies Wirken Bildung, Wissen, Poesie und Literatur als Hoffnungsschimmer in dieser dunklen Zeit entgegen. Billie wirkt in ihrem Tun und in ihrer lebensbejahenden Art wie ein heller Scheint im Dunklen! Allein schon das Umsetzen ihrer Kunst in ihrer gesellschaftlichen Rolle als Frau, ist in ihrer Zeit ein gesellschaftliches Aufbegehren und passt dazu auch so sehr zum Aufbegehren eines Teenagers. Dichterin zu sein, wurde als unnatürliches Phänomen gegenüber der göttlichen Ordnung empfunden, war somit Sünde, war somit Teufelswerk. Daher war Sybille Schwarz in einem Kampf, den sie zu Lebzeiten nicht gewinnen konnte. Die Form des biographischen Romans gibt Cordes die Möglichkeit Sybilla vielseitiger, lebendiger und nahbarer für uns zu machen. Und dies macht er mit Respekt und wunderbar feinfühlig. Durch die vielen Zitate aus dem Werk Sybillas, verknüpft er seine Auslegung ihres Lebens sehr eng mit ihrem Werk und wird damit der schweren Aufgabe gerecht, die uns eine solche besondere historische Person als Aufgabe mitgeben hat. Immer, wenn wir Spekulationen über ihren Charakter, ihr Denken und Handeln aufstellen, gilt es sie zu hören und nicht unser Denken über sie. Cordes löst dies sehr geschickt und feinfühlig. Biographie Geschichte Sachbuch C. Bertelsmann