Politik In die andere Richtung jetzt | Navid Kermani Textopfer, Oktober 21, 2024Oktober 21, 2024 Navid Kermani ist klar und zugewandt zu den Menschen, die er bei seinen Reisen trifft. Er hat diese besondere Gabe, so dass Menschen – fremde Menschen – sich ihm gegenüber öffnen. An diesen besonderen Momenten lässt er uns teilhaben. Und all dies macht seine Darstellung in seinem Werk „In die andere Richtung jetzt“ für den Leser besonders intensiv. Ein Bericht, eine Reportage, ein Sachbuch, das uns auf einfühlsame Art gelungen, wenig nüchtern-sachlich entgegenkommt. Denn das will das Werk nicht! Es geht zwar um eine Sache, aber vor allem um Menschen. Das Buch ist Darstellung, Anklage und Herausforderung für uns. Im Zentrum steht Afrika – Kermanis Reise durch viele Teile Ostafrikas. Er legt mit seinem Blick den Finger in die Wunde der westlichen Ignoranz, unserer Ignoranz, gegenüber den großen. brutalen, schrecklichen Kriegen und den menschenverachtenden Verhältnissen Afrikas. Obwohl wir uns in unserer westlichen Medienwelt der globalen Nachrichten für so umfassend informiert halten, machen seine Worte klar, dass wir Afrika höchstens punktuell wahrnehmen. Die hunderttausende von Toten, die vergewaltigten, verstümmelten, gepeinigten Opfer, schaffen es nicht in den Fokus oder gar Randbereiche unseres Lebens – nicht in unsere Wohnzimmer. Und genau deshalb ist Kermanis Buch so wichtig! Es ist erschütternd, oft von einer Direktheit, die uns sehr fordert oder vielleicht auch mal überfordert. Aber genau dies ist wichtig, richtig, denn es gilt diesen Opfern eine Stimme zu geben. Ansonsten wird sich die Richtung Afrikas niemals ändern. weiterlesen
Geschichte Mein Italien mit Berlusconi | Michaela Namuth Textopfer, Oktober 14, 2024Oktober 14, 2024 In der Person des ehemaligen US-Präsidenten Trump mögen wir heute wohl den bekanntesten Vertreter des Polit-Populisten erkennen. Jedoch ist er nicht der Prototyp dessen und auch nicht der Vorreiter dieses demokratiefeindlichen Politikers, der nicht als „normaler“ Politiker gesehen werden will. Diese historische Einordnung als der erste Politpopulist in einer westlichen Demokratie muss man Silvio Berlusconi zugestehen. Und er hat am Ende des letzten Jahrhunderts eine Figur geschaffen, die heute von vielen gespielt wird: Medien nutzen, keine eigene Agenda zu haben, sondern nur das Negativgeschreie der sich immer beschwerenden Masse zu bedienen. Ja, Politiker zu sein und gleichzeitig in einer “Die-da-oben”-Rhetorik sich als Nicht-Politiker darstellen. Oder zu den Superreichen des Landes zu gehören und sich gleichzeitig als Vertreter des „kleinen Mannes“ darzustellen. Darüber hinaus ein chauvinistischer, nicht mehr zeitgemäßer Vertreter des Sexismus, ein Frauenverächter zu sein und seine Eskapaden mit minderjährigen Mädchen, wie ein Werbeschild eines wahren mächtigen Imperators, vor sich herzutragen. Autorin Michaela Namuth hat als Journalistin jahrzehntelang in Rom gearbeitet und gelebt. Sie kam 1994, im Jahr des politischen Beginns und Aufstiegs Berlusconis zum Ministerpräsidenten nach Rom. Ihr fabelhafter, umsichtiger Rückblick ist eine Zeitreise hin zur heutigen italienischen Gesellschaft und hilft uns vieles zu verstehen. weiterlesen
Geschichte Israel 7. Oktober | Lee Yaron Textopfer, Oktober 7, 2024Oktober 7, 2024 Über dieses Buch würde ich gerne viel schreiben, aber das hieße, dieses Buch nochmals zu schreiben! Es war für mich im Bereich aktuelles Sachbuch das wichtigste Buch in diesem Jahr, um die Welt 2024 etwas mehr und besser zu verstehen. Der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 wird historisch nicht nur ein neues Kapitel im nichtendenden Nahost-Konflikt sein. Nein, es ist jetzt – ein Jahr später – schon abzusehen, dass dieser heimtückische, bestialische Akt der palästinensischen Hamas Terroristen eine Zäsur in dem nichtendenden Krieg ist. Mit dem hinterhältigen Anschlag auf friedliche Familien, feierten jungen Menschen und andere – völlig harmlose Bürger Israels – wurde an den Grundfesten des Staates des jüdischen Volkes gerüttelt. Erstmals wurden israelische Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag, in ihrem Land, hinterhältig, systematisch und geplant zu hunderten getötet, ja massakriert, gelyncht, vergewaltigt und verschleppt. Dies hat das Land Israel erschüttert und dieses Trauma wird nicht mehr fortgehen. Aber was ist wirklich wann geschehen an diesem 7. Oktober. Dies berichtet in zeitweiser atemberaubender und bitterer, schonungsloser Konsequenz nun die junge Journalistin Lee Yaron in ihrem Werk „Israel 7. Oktober“. Ein Must-Read für jeden sich bildenden Leser in unserem Jahr 2024! Das Buch versteht sich nicht als umfassende Chronik des Tages. Es hat einen sehr eigenwilligen Aufbau. Alles passiert wie Schlaglichter. Wir lernen Menschen kennen, ihr vorheriges Leben und Schicksal und zeitweise Geschehnisse auch über den Tag hinaus, bevor wir uns einem anderen Ort und anderen Menschen zuwenden. Aber sie alle verbindet, dass sie zu den Opfern des 7. Oktober 2023 in Israel gehören. weiterlesen
Krimi/Thriller Die Nacht des Blutadlers | Marc Voltenauer Textopfer, Oktober 5, 2024Oktober 5, 2024 Marc Voltenauer hat mit seinem dritten Band „Die Nacht des Blutadlers“ seinen Protagonisten Andreas Auer von der heimatlichen Schweiz auf Spurensuche seiner eigenen Vergangenheit nach Schweden geschickt. Herausgekommen ist ein Kriminalroman, der diese beiden kulturellen Einflüsse in spannendster Form vereint. Dies gibt als Grundvoraussetzung dem Buch schon mal etwas sehr Spezielles! Eine besondere Note, die sich durch das Werk zieht! Darüber hinaus wird er seiner Bezeichnung „Kriminalroman“ absolut gerecht, da es sich hier nicht nur um ein weiteres Werk in der großen Flut der „Thriller“ handelt, sondern Voltenauer augenscheinlich Wert darauflegt, dass seine Figuren mehrdimensional sind und sich während des langen Zeitraums, den die Erzählung umfasst, weiterentwickeln. Sei es positiv oder negativ! Ein mitreisender und bewegender Krimi, der auf vielfältige Art und mehreren Ebenen die Frage nach unserer kulturellen und persönlichen Herkunft, unserer Prägung und unserem Wunsch nach dem „Wo-kommen-wir-her?“, „Wer-und-wie- waren- meine-Vorfahren?“ thematisiert. Der Leser darf eine spannende und ungewöhnliche Suche erwarten! weiterlesen
Geschichte Rom bin ich – Cäsar. Der Aufstieg | Santiago Posteguillo Textopfer, September 29, 2024September 29, 2024 Es ist eine große Aufgabe, wenn ein Autor sich vornimmt, einen historischen Roman über einen der ganz, ganz Großen in der Geschichte zu schreiben. Schreibt man dann noch über einen ganz, ganz Großen der römischen Geschichte, kommen belesene Menschen natürlich direkt mit dem Vergleich zur fast genialen Robert Harris Cicero-Trilogie um die Ecke! Welch eine Ausgangsposition hat ein Autor dann für ein umfassendes, mehrbändiges Werk über den großen Gaius Julius Cäsar? Ehrlich? Wenn man es löst wie der spanische Literaturwissenschaftler Santiago Posteguillo, eine sehr gute! Posteguillo geht seinen sehr eigenen Weg! Er will kein Robert Harris sein! Und das ist gut so! Er präsentiert seinen sehr eigenen Stil, um uns die Person Cäsars, sein Handeln und seine Beweggründe nahezubringen. Die Beschreibungen sind oft privat bis intim. Politik und Macht sind natürlich zentrale Themen, aber er stellt uns klar einen Cäsar vor, der – zumindest in seinen jungen Jahren – in seinem Handeln mehr aus privaten, familiären Gründen heraus seine Motivation zieht. Macht ist hier noch weniger der Beweggrund. Hier wird deutlich, dass Posteguillo Literatur, die Darstellung und Wirkung des Handelns durch eine gekonnte Sprache zum Verständnis der historischen Person und die Freiräume des lyrischen Erzählens, wunderbar nutzt. Hier schreibt nicht ein Autor wie ein politischer Reporter, sondern ein Literat, der uns einen Charakter, einen Menschen näherbringen möchte. Dies ist bei einer einst realen, historischen Person immer schwer und die Auslegung und Darstellung wird bei Historikern umstritten sein. Aber es hilft sich dieser Zeit, dieser Person zu nähern. Und: Es macht einfach Spaß zu lesen und sich in dieses Szenario der großen Namen hineinzudenken! weiterlesen
Biographie Billie | Stefan Cordes Textopfer, September 25, 2024September 25, 2024 Das kurze Leben der Sibylla Schwarz, die oft als pommersche Sappho bezeichnet wird und während der Schrecken des 30jährigen Krieges lebte, gibt uns bis heute große Rätsel auf. Nun hat uns Stefan Cordes einen fabelhaften, emphatischen Roman beschert, indem er uns dieses Leben und das Werk der Dichterin auf eine dezente, unterhaltsame und literarisch einfühlsame Art näherbringt. Das Werk reiht sich ein, in eine Vielzahl von Romanen und Sachbüchern in unserer Zeit, die die dringende Aufarbeitung von Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen, ja den kulturellen Beiträgen von Frauen in der Geschichte deutlicher hervorherben. So gelingt dem Autor ein wichtiger und gekonnter Beitrag für den Feminismus. Aber kann „Mann“ den Feminismus wirklich so fördern, das weibliche Schreiben und die weibliche Perspektive wirklich in seiner Intensität und Wichtigkeit real darstellen? Ich finde (aus vielleicht männlich-subjektiver Perspektive): Er kann es bestens! Und ist es nicht genau das, was wir brauchen in all den – ideologisch zeitweise verbohrten – Diskursen? Ein Überwinden, der sich strikt abgrenzenden Geschlechterperspektiven, um einer Dichterin wie Sibylla Schwarz endlich das zukommen zu lassen, was sie verdient hat? Nämlich die Anerkennung als Jahrhunderttalent für alle, weit über gedachte und gemachte Grenzen hinaus. Stefan Cordes hat mit diesem Roman einen fabelhaften Weg gewählt und es macht Spaß diesen Weg hin zu „Billie“ mitzugehen. Cordes überwindet damit das Vorurteil, dass die Umsetzung und Durchführung einer solchen Annährung ein Alleinanspruch weiblicher Autoren ist. Er zeigt, dass die vorherige Ignoranz gegenüber solchen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen in der Geschichte eine für alle gesellschaftlich zu leistende Arbeit ist. weiterlesen
Krimi/Thriller Lupus – alles Böse kehrt zurück | Tibor Rode Textopfer, September 22, 2024September 22, 2024 Die Angst vor dem Wolf ist wie eine Urangst des Menschen. Und sie pflanzt sich scheinbar, tradiert durch Märchen und Mythen, von einer Generation zur nächsten, obwohl der Wolf nur sehr, sehr selten in unserem Alltag anzutreffen ist. Aber er ist zurück! Und somit kommt scheinbar auch die Angst deutlicher zurück. Tibor Rode führt uns diese Angst vor Augen, spielt mit dieser Angst in uns. Aber in Lupus geht es bei weitem nicht „nur“ um einen Wolf – es geht nicht nur um eine animalische Killermaschine. Nein! Es geht darum, wie die totalitären Systeme Nazi-Deutschlands und der DDR-Diktatur eventuell auf vielen Ebenen immer noch Einfluss auf uns haben. Es geht aber auch um die kapitalistische Wirtschaft, die vor allem den Profit sieht und es geht um ein Familiendrama. Viel für einen Thriller, aber nicht zu viel für Tibor Rode.Vor allem diese Kombination der verschiedenen Themen, macht dieses Buch zu einem Hingucker auf dem großen Markt dem täglich neu erscheinenden Massenmarkt der Thriller, das sich deutlich hervorhebt – abhebt! weiterlesen
Geschichte Der Heros in Tausend Gestalten | Joseph Campell Textopfer, September 15, 2024September 15, 2024 Solltest du vorhaben einen Fantasyroman, die eigene Saga zu schreiben, eine neue Religion zu gründen oder du einfach Spaß daran hast, die Weisheit der Menschheit etwas mehr zu ergründen und zu verstehen, dann rate ich zu dieser Lektüre! Du bist in guter Gesellschaft! Denn sowohl George Lukas, Steven Spielberg, Bob Dylan, Stanley Kubrick und viele andere Künstler, die dieses große Werk der Religionsforschung voller Psychologie und Philosophie gelesen haben, betonten den besonderen Wert für ihr Schaffen, das Verständnis für z.B. Literatur, Religion, Mythologie, Psyche, dass von diesem Buch ausgeht. Nun hat der Insel Verlag Joseph Campells bahnbrechendes Werk über den Mythos als archetypische Verbindungen der Kulturen neu übersetzt herausgebracht. Ein großes Werk, dass auch nach über einem halben Jahrhundert seines Erscheinens (1949) in seiner Sprache, gedanklichen Tiefe und seinen umfassenden Beispielen und Darstellungen besticht. Und wir alle merken, wie diese Mythen, diese Heldenfiguren, ihre Wege und ihre Schicksale uns geprägten haben. Ja, wir immer wieder nach diesen Geschichten und Abenteuern suchen und unsere eigenen Leben auch danach ausrichten. Campells „tausend Gestalten“ kennen wir alle, obwohl wir sie nicht alle bisher kennengelernt haben. Aber von Harry Potter bis zum Herrn der Ringe, von Buddha bis Jesus Christus, von Siegfried bis Arthus, sie leben mit uns, prägen uns und unseren Werdegang – sie sind interkulturell! Und diese interkulturelle und interdisziplinäre Sicht darauf macht dieses Buch 2024 besonders aktuell. Es hilft besser zu verstehen, ja, das Verbindende zwischen den Kulturen zu verstehen und gibt tiefe Einsichten über uns als Menschen! weiterlesen
Geschichte Captain Nelson – Unter der Flaggte des Königs | Mac P. Lorne Textopfer, September 8, 2024September 8, 2024 Wer ist der Mann, der hochhoben auf dem Trafalgar Square so ramponiert (fehlender Arm, fehlendes Auge) aufrecht steht. In England ist Horatio Nelson nach wie vor ein Star, ein Symbol für die historische Wehrhaftigkeit der Inselbevölkerung gegen Zugriffe von der Welt dort draußen. Nach wie vor wird er in Umfragen als größer nationaler Held genannt. Und sein Leben erscheint wie ein großes Abenteuer. Ein Abenteuer, ein Auf und Ab (privat, wie politisch) welches in Deutschland nur wenigen Geschichtsinteressierten rudimentär bekannt ist. Mac P. Lorne, der auch schon die Leben andere Seehelden in historische Romane zum Leben erweckte, hat sich nun, in diesem 1. Band über die Vita Nelsons, dem außergewöhnlichen Leben Horatio Nelsons gewidmet. Es liest sich, wie ein Abenteuerroman, in dem man sich allabendlich ins 18. Jahrh. beamen kann. Professionell geschrieben – professionell recherchiert! weiterlesen
Krimi/Thriller Die Kriminalistinnen – Acht Schüsse im Schnee | Mathias Berg Textopfer, September 4, 2024September 4, 2024 Bitte keine Schubladen! Einige werden versuchen „Die Kriminalistinnen – Acht Schüsse im Schnee“ als ein Buch in der Masse der Regionalkrimis abzutun, andere werden es vielleicht in der Menge der historischen Krimis ansiedeln, ABER: Um diesem Buch wirklich gerecht zu werden, sollten wir es vor allem als das Ansehen, was es ist: Einen sehr, sehr guten Krimi! Und noch mehr: Mathias Berg ist es gelungen ein differenziertes Portrait der bundesdeutschen Gesellschaft Anfang der 70er Jahre zu kreieren! Das Buch besticht durch die Kunst eine Zeitreise mit uns durchzuführen und gleichzeitig als Pageturner die Spannung durchweg beizubehalten Altbier, Katja Ebstein, Frikadellen, Gürkchen, Doornkaat und die „Grüne Minna“! Willkommen in den 70ern – die Illusion ist perfekt. Wir machen eine Zeitreise! Ich gebe an dieser Stelle wieder einmal zu, dass ich sehr, sehr kritisch bin, wenn es um historische Romane/Krimis geht. Denn wenn nur ein Baustein hier falsch gesetzt wird – ein Anachronismus – so bricht die Illusion sofort zusammen. Aber Mathias Berg versetzt uns wirklich ins (snobistische) Düsseldorf 1970. Und ich weiß, wovon er spricht, denn ich komme vom Niederrhein, im Gegensatz zum gebürtigen Stuttgarter. Ich bin begeistert, denn wir alle haben sofort die bunte Mode, von Mini zu Maxi vor unserem inneren Auge! weiterlesen