Es ist immer besonders faszinierend, wenn ein Autor uns ein Werk präsentiert, das seine Welt und seine Kreativität miteinander verbinden. Craig Oliver weiß, wovon er uns in seinem Thriller „Der Premierminister“ berichtet, denn er war von 2011 bis 2016 Kommunikationsdirektor des Premierministers Cameron in der Downing Street No. 10. Seine Schilderungen rund um das Leben, um den Ort der Handlung und das Miteinander dort dürfte intensiv von seinen Erfahrungen und von den gedachten Szenarien geprägt sein. All das macht das Buch zu etwas Besonderem in der großen, großen Schar der Konkurrierenden Neuerscheinungen auf dem Markt der Thriller und Krimis. Ein Blick des Kenners, des Eingeweihten. Und noch etwas ist ganz anders. Kennen wir als Hauptperson in vielen Thrillern (auch in Filmen, wie z.B. „Airforce One“) das Staatsoberhaupt oder den Ministerpräsidenten als Verteidiger der Freiheit, ist sein Premier das totale Gegenteil: Kein Idealist! Ein egozentrischer Karriererist. Ein charakterlicher Schwachmat, dem man schon nach kurzer Zeit wünscht, dass ihn möglichst schnell der (literarische) Tod ereilt. Ein Seitenhieb Olivers auf seinen ehemaligen Chef?
Schlagwort: Thriller
Dezember 41 |William Martin
Für seinen historischen Thriller „Dezember 41“ hat Autor William Martin ein besonderes Szenario gewählt. Gerade für uns deutsche Leser ist dies von besonderer Bedeutung, spielt die Geschichte doch vor allem rund um die obskure Vereinigung des Amerikadeutschen Bundes, eines quasi Fan-Clubs Adolf Hitlers, während der 30er Jahre, in den USA, die dort einen faschistischen Staat gleich dem NS-Reich aufbauen wollten. Zwar erscheint dieses Szenario als vielleicht verstaubt und in seiner Art weit weg, aber lassen uns doch gerade die jüngsten Äußerungen aus der trumpschen Republikaner Partei mit einem deutlich fanatisch rassistischen, antisemitischen Ton aufhorchen, dass es solche Bestrebungen in Teilen des amerikanischen Volkes (egal ob mit oder ohne deutsche Wurzeln) schon immer gab. Mit diesem Wissen wird dieses Buch in seiner historischen Kulisse doch plötzlich sehr aktuell.
Lupus – alles Böse kehrt zurück | Tibor Rode
Die Angst vor dem Wolf ist wie eine Urangst des Menschen. Und sie pflanzt sich scheinbar, tradiert durch Märchen und Mythen, von einer Generation zur nächsten, obwohl der Wolf nur sehr, sehr selten in unserem Alltag anzutreffen ist. Aber er ist zurück! Und somit kommt scheinbar auch die Angst deutlicher zurück. Tibor Rode führt uns diese Angst vor Augen, spielt mit dieser Angst in uns. Aber in Lupus geht es bei weitem nicht „nur“ um einen Wolf – es geht nicht nur um eine animalische Killermaschine. Nein! Es geht darum, wie die totalitären Systeme Nazi-Deutschlands und der DDR-Diktatur eventuell auf vielen Ebenen immer noch Einfluss auf uns haben. Es geht aber auch um die kapitalistische Wirtschaft, die vor allem den Profit sieht und es geht um ein Familiendrama. Viel für einen Thriller, aber nicht zu viel für Tibor Rode.Vor allem diese Kombination der verschiedenen Themen, macht dieses Buch zu einem Hingucker auf dem großen Markt dem täglich neu erscheinenden Massenmarkt der Thriller, das sich deutlich hervorhebt – abhebt!
Tode, die wir sterben
Tja, dann „Willkommen an der genau richtigen Stelle des Lesens!“
Schicksalsschläge kommen ungefragt und mit schrecklichen Konsequenzen in unser Leben. Doch für Kommissar Jon Nordh kommt es doppelt hart. Denn neben dem plötzlichen Verlust seiner Frau, muss er damit Leben, dass er wohl hintergangen wurde. In dieser Situation wird ihm die eigenwillige und äußerst wehrhafte Svea Karhuu als neue Kollegin zugeordnet. Da fällt es schwer den Kopf beisammenzuhalten. Natürlich muss es zwangsläufig bei einem solchen neuen Team, bestehend aus zwei so starken Persönlichkeiten auch mal zu Reibungen kommen. Das schafft Klarheit und Respekt.
Das bemerkenswerte Autorenduo Voosen und Danielsson ist schon lange auf dem Erfolgspfad. Mit „Tode, die wir sterben“, starten sie mit einem neuen schwedischen Kommissarenduo.
Yoko | Bernhard Aichner
Wie kommt ein Autor auf die Idee, sein Buch, seine Hauptperson ausgerechnet nach der Frau zu benennen, die von 90% aller Beatles-Fans auf der Welt (inklusive mir) als Haupttäterin für die Spaltung dieser Musikgötter verantwortlich gemacht wird? Sollte es zeigen, dass man mit solch einem Namen auf dieser Welt schlechte Karten hat? Das schon vor ihrer Geburt die Welt es nicht gut mit ihr meinte? Oder ist es der versöhnliche Versuch den Namen „Yoko“ irgendwie ins Positive zu ziehen?
Bernhard Aichner ist eigenwillig, klar und direkt. Er ist ein sarkastischer Grenzgänger, liebt den (und spielt daher mit dem) morbiden Charme, den wir aus vielen seiner vorherigen Werke kennen. Eigentlich sind es immer ganz „normale“ Personen, die beim etwas genauerem Hinschauen, dann schon gar nicht mehr normal sind. Und daher lieben wir sie! Sie haben etwas von uns – wir identifizieren uns schnell mit ihnen. Und so ist erst einmal auch Yoko, die Menschen ihrer Umgebung und die Geschichte von Yoko, die wir in Rückblenden erklärt bekommen.
Verraten | Jussi Adler-Olsen
Zu Beginn ein klares Bekenntnis: Ich bin Fan der 1. Stunde! Wie alle begeisterten „Kommissariat Q“- Fans, habe ich diesem finalen Band entgegengefiebert. Und ganz ohne Spannung aufzubauen, komme ich am Schluss zum Schluss: Es hat sich absolut gelohnt!
Entgegen allen Unkenrufen vieler selbsternannter Kritiker, Buch-Blogger, die die Jahre seit 2008 nicht Stück für Stück diese Reihe begleitet haben, möchte ich sagen, dass für jeden eingefleischten Fan dies ein guter Abschluss ist – ein würdevolles, intelligentes und (so) nicht erwartetes Grande Finale!
All diese einzigartigen Typen werde ich vermissen! Carl, Assad, Rose, Gordon oder Hardy – wir wissen nun so viel über sie. Denn sie sind es, die die Thriller des Dänen so besonders machten. Und wer die Bände zuvor nicht gelesen hat, wird dies vielleicht nur schwer nachvollziehen können. Wenig oberflächliche Klischees, sondern verschrobene, gut durchdachte Individualität, die diese Personen so echt wirken lassen, so dass man auch im letzten Band das Gefühl hat, gute Bekannte wiederzusehen. Und garantiert sind auch in diesem Band Wendungen, die der Leser bei weitem nicht erwartet und erahnen kann. Das war und ist das besondere Können von Jussi Adler-Olsen. Und das macht sehr viel Spaß!
Angst | Ivar Leon Menger
Es ist wohl das “Must-have” im Thrillerbereich des deutschen Buchmarktes in diesem Sommer 2023. Nach seinem sensationellen Erstlingswerk „Als das Böse kam“, präsentiert sich Ivar Leon Menger als besonders schnell und produktiv in seiner Kreativität und veröffentlicht nun – schon ein Jahr später – sein so dringend erwartetes Zweitwerk. Und es präsentiert sich mutig anders! Schon in den ersten Zeilen wird klar: Hier reproduziert niemand ein mögliches aufgewärmtes Erfolgsrezept. Nein, hier geht ein Autor weiter, zeigt sich wandelbar und auf geniale Art unberechenbar. Und? Ist es nicht genau das, was wir bei einem Thriller haben wollen? Die Unberechenbarkeit!
Schnell sind wir im und beim Thema: Stalking. Stalking ist unfair, unvorhersehbar, ist Psychoterror! Und…wir sind in Berlin! Und wir erfahren: „Berlin ist voller Irrer”!
Das Chalet | Ruth Ware
Robinsonaden sind mein Ding! Sie kitzeln in Extremsituationen die Abgründe von Charakteren heraus, die man im Alltag doch so gut kaschieren kann. Dies vor allem, wenn eine Gruppe junger, dynamischer, hipper Start-up Freaks auf engstem Raum hockt und sie sich ihre Egos aneinander abarbeiten. Eingesperrt und ohne Kontakt nach außen ist der Psychokoller bei diesem extrovertierten Menschenschlag vorprogrammiert. Bei Ruth Ware ist hier die „Insel“ ein Luxusresort in den rauen französischen Alpen, umgeben von einem Meer aus Schnee! Lawinenabgang und sie sind wie eingeschneit, handlungsfähig, Menschen verschwinden und es kommt zu Morden! Spätestens jetzt kann man das Buch nicht mehr zur Seite legen!
Die marmornen Träume | Jean-Christophe Grange
Meine Umgebung hat mich wenig gesehen – in den letzten zwei Wochen! Aber dieses Buch hat mich verschlungen. Einmal begonnen, war es wie schwerer Magnetismus – es zog mich tief in sich hinein und ich wusste wieder, warum ich Jean-Christophe Granges Stil Bücher zu schreiben, Geschichten zu erfinden so verfallen bin. Ich habe alle seine Bücher gelesen – vom neusten Werk bin ich begeistert! Das ist ein wahrer Thriller! Nicht nur ein Buch, auf dem dieses Wort gedruckt ist, sondern ein Buch, in dem es auf über 600 Seiten, Seite für Seite geschieht! Keine Seite zu lang – was wir leider immer wieder bei vielen Büchern erleben. Und Grange kennt den Takt! Und zwar indem man wie bei einem Saiteninstrument die Saite spannt, sie leicht auch einmal lockert, aber eigentlich nie die nötige Tonalität verlässt! Alles bleibt durchweg stimmig. Grange ist – nach wir vor – einer der Spitzen im europäischen Thriller-Krimigenre!
Ich werde – um den Thrill für alle beizubehalten – hier nichts spoilern, nichts vom Inhalt hergeben! Ich erkläre aber gerne die Genialität, die Grange mit seiner speziellen Art des Erzählens und den Wendungen seiner Geschichte hier im Besonderen an den Tag legt!
Das Gekaufte Leben | Tobias Sommer
Erschienen im DTV-Verlag Rezensionsexemplar Ab in die Story! Ich mag Geschichten, die daherkommen als würde…