Erschienen bei Klett-Cotta
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Ein Lehrstück über Krieg in Europa
Den deutsch-dänischen Krieg kennt man zumeist maximal als kurze Zwischenstation und Zahl „1864“ aus dem Geschichtsunterricht im schnellen politischen Aufstiegs Bismarcks und Preußens hin zur Reichsgründung 1871. Dabei hat er bis heute Einfluss auf das Verhältnis zu unseren nördlichen Nachbarn. 1864 ist und war für Dänemark mehr als ein Kriegsjahr, es war ein Katastrophenjahr.
Klaus-Jürgen Bremm hat sich in den letzten Jahren zu dem Fachmann in Deutschland für solche Wendepunkte in der deutschen Geschichte entwickelt. Seine Werke helfen dabei diese Konflikte in ihren Entwicklungen und Auswirkungen umfassend zu verstehen und sind bei weitem sehr viel mehr als nur die Darstellungen kriegerischer Handlungen. Es geht um die Frage, wie es zu solchen kriegerischen Konflikten kommen kann. Konflikte, die man glaubte, nur militärisch lösen zu können und welche – zum Teil – bitteren Konsequenzen es für diese Staaten bedeutete. Wer verstehen will, wie Krieg entsteht, wird bei der Lektüre Bremms sehr viel darüber lernen. Ein Thema, das leider im aktuellen Europa 2025 wieder mehr verstanden werden muss. Denn es geht um die Selbstbestimmung von Landesteilen oder Ländern. Es geht um das Streben nach Freiheit und die Interessen großer Staaten, die unter dem Deckmantel der vermeintlichen Freiheit für andere, vor allem ihren Interessen nachgehen.
Eine seltene und seltsame Allianz.
Klaus-Jürgen Bremm geht es nie um Berichte aus dem Schützengraben, sondern er berichtet als ein Resultat guter Recherche, wie es zum Krieg kommt und wie er sich entwickelt. Wer will diesen Krieg? Wer hat ihn provoziert oder in Kauf genommen? Wer glaubte einen Vorteil daraus zu haben? All dies macht auch „1864“ zu einer politischen Lehrstunde. Bremms Darstellung ist keine Aneinanderreihung von Militaria, sondern eine umfassende Darstellung der politischen Bestrebungen und Abläufe, sowie der vielen einflussreichen, handelnden Personen.
Manche dieser „großen Personen“ der Geschichte erscheinen hier erstmals auf dem Zenit der Weltgeschichte.
So waren die Eventualitäten eines militärischen Konfliktes zwischen Preußen und Dänemark im preußischen Generalstab unter Generalleutnant Helmut von Moltke schon länger in seinen Überlegungen durchgespielt worden. Von Moltke sollte einer der prägenden Personen des Jahrzehnts werden.
Für Otto von Bismarck war dieser Krieg sein erster Krieg. Er sollte sein Handeln, Denken und Kalkül mindestens bis zur Reichsgründung prägen. Bismarck ging es 1864 noch lange nicht um die Einheit Deutschlands. Es war – gemeinsam mit Österreich- ein „klassischer“ Hegemonialkrieg gegen Dänemark. Und es ging um Eroberung und Okkupierung von Ländern. Das eigene Land Preußen sollte vergrößert werden. Bismarck verachtete den Bund und hasste die Habsburger. Genau diese Habsburger wollten auch ihr Einflussgebiet vergrößern. Das vereinte plötzlich die großen Rivalen Deutschlands. Eine seltene und seltsame Allianz.
Der dänische Blick
Für uns deutsche Leser ist bestimmt der Blick aus dänischer Sicht auf den dänischen Werdegang im 19. Jahrhundert (von der Großmacht noch zur Zeit Napoleons zu einem kleinen Land) von besonderem Interesse, wird dies doch in unserer allgemeinen populären Geschichtsschreibung selten bedacht. Schon seit Anfang des 19. Jahrh. artikulierten sich die Stimmen, dass die beiden deutschsprachigen Landesteile Schleswig und Holstein forderten, nicht zu Dänemark, sondern zu den Deutschen Landen zu gehören. Man fühlte eine größere Verbundenheit und strebte nach Unabhängigkeit. Und zwar gemeinsam unter dem Slogan: Up ewig ungedeelt!
Bremm erklärt interessant und gekonnt politische Details. Chronologisch übersichtlich, wird der Ablauf der Ereignisse umfassend dargestellt, so dass die Entwicklungen des lange schwelenden Konflikts gut nachvollziehbar sind. Er erklärt umfangreich, auf gutem Niveau, ohne zu dozieren oder ohne umfangreiche verfassungsrechtliche Grundkenntnisse vorauszusetzen. Ein interessantes Buch über unsere nördliche Nachbarschaft. Eine Nachbarschaft, die sich uns heute so selbstverständlich friedlich präsentiert.