Erschienen im S. Fischer-Verlag
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Zeitlos
Von den Werken Thomas Manns, ist „Joseph und seine Brüder“ wohl eines der bedeutendsten, eindrucksvollsten und imposantesten. Auf jeden Fall ist es (mit seinen vier Romanen) das umfangreichste Werk. Im Mittelpunkt meiner Rezension steht der Auftakt, das heißt der erste Band mit den beiden Romanen „Die Geschichte Jaakobs“ und „Der junge Joseph“.
Manns erzählerische Kraft tritt uns schon zu Beginn, in der „Höllenfahrt“, entgegen. Ein Auftakt, der einer Ouvertüre einer großen Oper, ja, wie ein steigender, durchdringender Trommelwirbel wirkt. Die Höllenfahrt lässt uns in Spannung erahnen, dass etwas Besonderes und vor allem eine große Persönlichkeit auf uns zukommen wird. Aber über all dem liegt eine deutliche Ironie. Aber auch wenn sie darunter verborgen ist, präsentiert Mann uns hier viel philosophischen Weitblick.
Und schon hier, in der Darstellung rund um den Urvater Abraham, zeigen sich die immer wieder auftauchenden, ewigen Aktualitäten dieses Buchs. So warnt uns Mann davor, dass man mit Vorsicht den Überlieferungen gegenüberstehen sollte. Zu oft haben Menschen sie geändert, um ihre Macht zu rechtfertigen. „Es handelt sich um späte und zweckvolle Eintragungen, die der Absicht dienen, politische Machtverhältnisse, die auf kriegerischem Wege hergestellt, in frühesten Gottesabsichten rechtlich zu festigen.“ Solche Fingerzeige, bezogen auf uns Menschen und Religionen, die wir in tragischer Weise bis heute erleben, machen dieses Werk so besonders und zeitlos.
Mehr als die bekannte Geschichte
Thomas Manns Darstellung der Joseph-Geschichte des Alten Testaments ist weitaus mehr als nur die Erneuerung der uns bekannten Geschichte. Mann hat die literarische Dramatik des Bibelstoffs verstanden. Ein Familiendrama. Im Mittelpunkt eine schillernde Person. Es gibt, wie in Legenden, verschlungene Wege, die zu ihr hinführen. Es erscheint, dass ein göttlicher Plan sichtbar wird. Es gib Erfolg, aber viel Scheitern. Einen ganzen Roman präsentiert er daher als Vorgeschichte – der Geschichte Jakobs (im Buch Jaakob) und seines Zwillingbruders Esau.
Schrieb Thomas Mann ein solches Werk, so tauchte er – das merken wir in den vielen Nebeninformationen seines Buches – tief ab, in den damaligen Stand der Religions- und Geschichtswissenschaft. Ihm war wichtig, die Welt des Josephs in ihrer religiösen Vielfalt, ihren angewandten und aufkommenden Traditionen vor unseren Augen lebendig werden zu lassen.
Eine besondere Sprache
Natürlich werden auch in „Joseph und seine Brüder“ Manns homoerotische Neigungen deutlich, wenn er den Körper des jungen Joseph als faszinierend und zutiefst eindrucksvoll beschreibt. Das ist mutig in seiner Zeit und hat immer etwas – neben voyeuristischen – sehr respektvolles und zutiefst ästhetisches. Joseph ist „hübsch und schön”.
Literarisch ist „Joseph und seine Brüder“ für uns heute – aufgrund seiner sprachlichen und inhaltlichen Komplexität, Satzstrukturen, etc., im Kontrast zur aktuellen Literatur, eine Herausforderung – die man aber als Leser unbedingt erlebt haben sollte! „Joseph und seine Brüder“ lädt nicht nur dazu ein es zu lesen, sondern es lädt ein, es zu studieren. Somit geht auch meine Reise durch die weiteren Bände weiter. Das Faszinierende liegt in der Sprache Manns.