hier die Ausgabe des Insel-Verlags
(Erschienen 1878)
Ein Klassiker: Daisy Miller – von Mut und Unabhängigkeit
Daisy Miller ist jung, nicht an Konventionen interessiert und macht das, was sie für richtig hält. Sie fragt nicht danach, was andere – was die „gute Gesellschaft“ – für richtig hält. All dies würde in unserer Zeit schon viel Mut bedeuten und zu Ausgrenzung bis zur Verachtung führen – aber im 19. Jahrhundert? Daisy Miller ist dort unzeitgemäß – ihrer Zeit voraus, denn sie sucht ihre Unabhängigkeit! Und dazu hat sie Charme und sie merkt, dass dieser Charme etwas bei Männern auslöst. In verspielter, vielleicht auch naiver Art liebt sie damit zu spielen. Sie kommt aus der „neuen Welt“ und ist fürs „alte Europa“ wie eine Zumutung und Herausforderung. Dort urteilt man über sie als unmoralisch und dabei ist sie in ihrer Umgebung doch bei weitem die authentischste Person. Sie sucht nach ihrem Glück – das Glück einer jungen Frau.
Im Spannungsfeld
Henry James war ein guter Beobachter seiner Zeit. Der Unterschied zwischen den neu in Amerika aufgestiegenen, erfolgreichen und finanzkräftigen Geschäftsfamilien und den in knöchernen Traditionen verhafteten, vor allem Adelsfamilien Europas, konnte, bezogen auf Erziehung, Bildung, Umgangsformen und moralischen Werten und Urteilen, nicht größer sein. So stellt er seinen Protagonisten Frederick Winterborne genau zwischen diese Welte. Hin- und hergerissen ist er zwischen dem harten Urteil der europäischen Gesellschaft über Daisy und ihrer Attraktivität und ihrem Charme.
Erwartungen an Frauen
Daisy Miller erschien 1878 und hat bis heute, bezogen auf die Selbstbestimmung und den Kampf um Unabhängigkeit junger Frauen, an seiner Aktualität wenig verloren. Die Umgebung mag anders sein – die patriarchalen Strukturen (die wir in vielen konservativen Gesellschaften vorfinden) nicht. Diese sind bestimmt durch Benimmregeln, klaren Erwartungen an junge Frauen. Alles in Allem wird die Unterwerfungen erwartet. Sollte diese nicht stattfinden, folgt in fast schon aggressiver Form Ausgrenzung und üble Nachrede. Ein Klassiker, der viele Leser und Leserinnen verdient hat.