Erschienen bei wgbTheiss
(Rezensionsexemplar)
1500 in 2023?
Was soll uns im Jahre 2023 die Zeit „Um 1500“ interessieren? Ganz, ganz viel! Es ist der historische Schnitt über die Renaissance zur Neuzeit! Das haben wir Menschen rückblickend festgelegt, um auszudrücken, dass ein neues Zeitalter begann: neues Denken, neue wissenschaftliche Errungenschaften, eine neue Sicht auf die Welt, ein neues Verständnis des Menschen und, und, und…! All dies ließ alte Dinge einbrechen, geglaubte Sicherheiten gerieten ins Wanken. Und die aufkommenden Gefühle der Unsicherheit, der möglichen Angst, der Frage: „Wohin geht es?“ – ja, all das können wir nahtlos auf „Um 2000“ übertragen. Es erscheint wirklich, dass wir in eine neue Zeit (mehr als eine Epoche), vielleicht in die Postmoderne übergehen. Ein Hauch von Angst, Weltuntergang und eine vollkommen neue Welt liegt vor uns. Es lohnt sich also gerade jetzt, sich mit der Zeit „Um 1500“ auseinandersetzen.
Und „Um 1500“ bietet eine breite Fülle der Themen dazu! Vom Alltäglichen bis zum Speziellen.
Leben in der frühen Neuzeit
Romedio Schmitz-Esser geht dieses große Projekt durch einen besonderen und wirklich interessanten Zugang an. Im Zentrum dessen steht der geniale Abrecht Dürer und seine Werke. Mit über 50 Themen, (vor allem) der Sozial- und Alltagsgeschichte, nähert er sich dem Leben und Denken des Menschen der frühen Neuzeit. Themen, wie z.B. Geburt, Familie, Bildung, Sexualität, Mobilität und natürlich epochentypische Themen, wie Reliquien und Ablässe, dem Papst und der Kurie und sehr viel mehr. Eingeläutet werden die Themen zumeist mit einem Blick auf ein Werk Dürers, dass uns zum Kapitel führt. Wir schauen also vor jedem Aspekt durch den scharfen Blick des Malers auf seine Welt, die im großen Wandel war. Auch werden die Lebensumstände Dürers mit eingeflochten, denn er entstammt einer sehr typischen Familie in den führenden Städten Europas. Es ist die Zeit des wachsenden Humanismus – Europa bildet sich und seine Kinder immer mehr!
Spannende Fakten erklärt man uns dazu. Z.B., dass im ausgehenden Mittelalter die Sterberate bei Kleinkindern bei ca. 1/5 aller Kinder lag. Auch Dürer erlebt diese harte Realität. Von 18 Kindern erreichen nur 3 das Erwachsenenalter. Oder die Schulausbildung bei weitem nicht nur im Adel und bei reichen Bürgern gefördert wurde, sondern dass auch große Teile der Handwerker lesen konnten und diese auch ihre Kinder dementsprechend fördern ließen.
Gute Begleitung
Romedio Schmitz-Esser schenkt uns hier ein faktenreiches Buch. Auf angenehme Art und Weise werden uns hier viele Lebensumstände der frühen Neuzeit dargestellt und man hat zeitweise das Gefühl einen guten Reisebegleiter und Sightseeing-Guide zu haben, der immer wieder auf besondere und interessante Aspekte der Fahrt in die Vergangenheit hinweist. Ergänzend zu diesem Gefühl sind die vielen, vielen Bilder Dürers und andere zeitgenössischer Maler, die uns den Zugang noch einmal ganz anders vermitteln. Für alle Geschichtsbegeisterten, für alle Geschichtsfreaks ein wunderschönes, mittreisendes Buch, das Geschichte schön erzählt.