Erschienen bei Diogenes
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Im Spiegel des Narren
Ich muss zum Auftakt direkt zugeben, dass ich in der großen Welt der Literatur, den vor Jahren beginnenden Hype über Mick Herrons “Slow Horses” – trotz meiner riesigen Affinität zur Metropole London – verpasst habe. Ich wurde auf Herron erst aufmerksam, als die entspreche Streamingserie startete. Im Nachhinein – mit meinem heutigen Wissen über Herrons literarische Fähigkeiten – ist mir nun mehr als nur ansatzweise bewusst, welches intelligente, wunderbar ironische Lesevergnügen ich so wohl verpasst habe. Meine Reise durch „Down Cemetery Road“, welches nun ebenfalls ab dem 29.10.2025 auf Apple TV+ als Serie starten wird, hat mir verdeutlicht, dass ich dringend die anderen Werke Mick Herrons lesen muss.
Seine Sprache ist ein herrlicher Genuss. Der süffisante, britische (von Ironie und Sarkasmus geprägte) Sprachwitz oder auch die besondere Komposition des Aufbaus (seien es einzelne Szenen oder die Gesamtkonstruktion), sind eine perfekte Mischung aus Unterhaltung und Sprachkunst. All das zeigt einen Autor, der nicht nur geschickt einen Kriminalroman konstruiert, sondern narrenhaft den Spiegel über die absurden Verhaltensweisen in unserer Gesellschaft vorhält. Und oft, ja sehr oft, treffen wir dabei skurrile Gestalten, wie wir sie kennen oder vielleicht gar uns selbst?
Wenn der ganze Alltag explodiert
Die etwas naive und unterbeschäftigte Hausfrau Sarah bringt auf ihrer Suche nach einem möglicherweise verschwunden Kind, die vertrackten Verflechtungen der Geschichte rund um eine scheinbare Gasexplosion eines Reihenhauses in ihrer Nachbarschaft, zeitweise mehr durcheinander, als dass sie eine Lösung herbeibringt.
Die Geschichte nimmt einen immer schnelleren, sich fast überschlagenden Verlauf an, so dass Sarahs Mann die Welt nicht mehr versteht und sie irgendwann fragt, warum sie jetzt Staatsfeind Nummer eins geworden ist? Und wir können ihn sehr gut verstehen! Denn nun ist scheinbar auch ihr ganzer Alltag explodiert.
Und so werden wir durchs Buch getragen, um Lösungen zu bekommen, aber auch in der mitleidigen Hoffnung, dass Sarah nicht noch Schlimmeres geschieht. Denn ihr Instinkt liegt richtig, hier stimmt etwas nicht. Ein Instinkt, der sie aus ihrer Komfortzone hat herauskommen lassen. Alles, was sie jetzt noch braucht, ist noch Zoe Boehm.
Zwischen tiefer Psychologie und der Absurdität des Alltags
Mick Herron verbindet all die besonderen Größen des makabren britischen Krimis und Humors, irgendwo von Agatha Christie bis Monty Python und weit darüber hinaus. Die Dialoge können so herrlich ausufern und sind oft an der Kante zwischen tiefer Psychologie und alltäglicher Absurdität. Dies kommt auch in der deutschen Übersetzung wunderbar herüber. Ein riesiger Lesespaß!