Erschienen im Suhrkamp-Verlag
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Sein Leben für die Bücher
„Einer der Zwangsarbeiter…, der Dichter Abraham Sutzkever, erhielt von der Gestapo die Erlaubnis, Papier als Brennmaterial mit ins Ghetto zu bringen, stattdessen brachte er aber seltene hebräische und jüdischen Bücher, handschriftliche Briefe von Tolstoi, Maxim Gorki… eines der Tagebücher von Theodor Herzl, … sowie Zeichnungen von Marc Chagall mit und versteckte sie umgehend…“ im Ghetto in Wilna/Vilnius.
Welch ein Einsatz für Bücher! Sein ganzes Leben für Bücher einzusetzen, da ihm dieser Wert höher erschien als sein Leben!
In seinem bemerkenswerten Buch „Bedrohte Bücher“ erzählt der britische Wissenschaftler, Richard Ovenden, einen faszinierenden Streifzug über die Versuche von Archivaren und Bibliothekaren dem Verlust von Kultur, Wissen, Gedanken, aber auch ganz alltägliches Erleben zu erhalten. Dieser Gang durch die Jahrhunderte zeigt aber vor allem auch die vielen traurigen Verluste all dessen. Es ist, als ob wir gemahnt werden unsere Errungenschaft besser zu schützen. Denn in einer Welt, in der zunehmend Demokratien durch populistische, faktenverneinende Systeme bedroht werden, ist Orwells „1984“ nicht weit und wir alle wissen, dass Papier bei „Fahrenheit 451“ brennt. Wir müssen uns wieder mehr verdeutlichen, welchen Schatz es zu verteidigen und zu erhalten gilt. Ovendens Buchs ist eine gute, wichtige Mahnung dazu und sie macht uns darüber hinaus in ihren vielen historischen Beispielen so deutlich, was wir alles schon verloren haben – sei es durch Zufall, Krieg oder ganz bewusste Auslöschung und Zerstörung.
Das Gegengift zu alternativen Fakten
“Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen” so weit die prophetisch mahnenden Wort Heinrich Heines, die gerne zitiert und doch so oft ignoriert wurden und werden.
Immer schon ist Wissen angegriffen worden. Berühmteste Beispiele, wie die Bücherverbrennungen der Nazis scheinen uns fast undenkbar, fremd, sehr weit entfernt. Aber schauen wir in die Gegenwart, in die vielen Verbote von Literatur in den USA, so scheint die Welt diesen Weg immer wieder, auf fast dystopische Art wieder zu gehen. Die Mittel der autoritären Despoten sind immer wieder gleich. So wurde die Adaptionen von Anne Franks Tagebuch und George Orwells „1984“ als Graphic Novels in einigen Distrikten ebenso entfernt, wie Magret Atwoods „Report der Magd“. Das Thema des Bücherverbots oder der Zerstörung von Büchern ist also höchst aktuell. Es lohnt sich der Blick in die lange Geschichte dessen, um Strukturen schneller erkennen und verstehen zu können.
Dass dabei ausgerechnet „1984“ im Fokus der totalitären Aufmerksamkeit steht, das Buch, das uns doch so deutlich macht, dass Bibliotheken und Archive für die Wahrheit so wichtig sind, ist kein Zufall. Dateien kann man jederzeit ändern – Seiten in Büchern bei weitem nicht so einfach und flächendeckend. Bibliotheken und Archive – ja ihr Wissen – sind das Gegengift zu alternativen Fakten. Bücher waren daher oft Mittel, Hilfe gegen willkürliche Macht, Herrschaft, Diktatur, totalitäre Systeme.
Ein wertvolles, gutes Buch um die Macht von Wissen.
Richard Ovenden will die Motive für die Zerstörungen der Wissensspeicher und Schutzmaßnahmen aufzeigen. Er geht durch die Geschichte. So z.B. von der berühmten Bibliothek Alexandrias und der immer wieder aufkeimenden Frage, wer sie denn nun zerstört hat, über John Leland, den „Antiquarius” Heinrich des VIII von England, der den reichen Wissensschatz der Bibliotheken seiner Zeit wie kartographieren wollte, zur seltener erzählten Geschichte von George Cockburn, der bei der Eroberung Washingtons 1814 die ersten Library of Congress zerstören ließ. Denn schon früh war es der jungen Demokratie daran gelegen, öffentliche Bibliotheken zu haben und somit Wissen für viele zugänglich zu machen.
Die bewusste Brandstiftung von Bibliotheken, von Büchern, bedeutete immer einen bewussten Angriff auf eine Kultur. Hier sollte immer mehr als ein materieller Schaden angerichtet werden.
Viele Kapitel starten am Arbeitsplatz Ovendens, der berühmten Bodley-Library in Oxford Von dort aus zeichnet er Geschichten von Büchern und deren Gefährdung auf. All dies macht deutlich, dass Bücher eine sehr lebendige und lebhafte Umgebung sind.
Ein wertvolles, gutes Buch um die Macht von Wissen.