Es braucht nicht zu viel Vorstellungskraft, wenn man bei aller Bekanntheit und Popularität des Autors nur ansatzweise durchdenkt, wie hoch wohl der Druck auf Simon Beckett gewesen sein muss, nun, nach sechs Jahren einen weiteren Band der David-Hunter-Serie zu schreiben (Kurzgeschichte zum Thema nicht mitgerechnet). Wie mutig darf man da sein und neue Wege einschlagen, ungewohnte Wendungen? Und wie sehr sollte man in den gewohnten Gefilden eines “normalen “Thrillers bleiben, um das Publikum „mitzunehmen“. Zumindest mit der Wahl des Settings des Thrillers „Knochenkälte“ war Beckett weniger mutig. So lässt er Dr. David Hunter in einem Closed-Circle-Setting (oder Isolated Setting) recherchieren, einem Setting, das wir schon in klassischen Kriminalfällen von Agatha Christie und Steven King kennen. Der Held muss in einer räumlich von der Außenwelt abgeschnittenen Umgebung, auf sich alleingestellt, im Kreise einer sehr übersichtlichen Anzahl an Tatverdächtigen, ermitteln. Ständig ist er somit selbst gefährdet. Die Idee ist also wahrscheinlich so alt, wie das Krimi/ Thrillerschreiben überhaupt (und trotzdem lieben wir es immer wieder). Aber Beckett wäre nicht Beckett, wenn er dies nicht im Besonderen nutzt. Hier zeigt sich, dass ein Meister des modernen britischen Thrillers das „Heft in der Hand hält“. Nichts wirkt flach und konstruiert, sondern wir glauben unserem „Freund“ und altem Wegbegleiter „Dr. Hunter“ natürlich sofort die Geschehnisse, an denen er uns teilhaben lässt. Trotz unserem Wissen um Thrillerdramatik: Beckett lässt es leben, unterhält uns mit Spannung und wir müssen mit allem rechnen. Respekt, das funktioniert!
Schlagwort: Rowohlt
Das Spiel ist aus | Jean-Paul- Sartre
Es gibt Literatur, die einfach zeitlos ist, weil sie zeitlos schreibt und deren Themen die Menschen immer ansprechen werden – auch sie sind zeitlos.
Sartres Geschichte „Das Spiel ist aus“ aus dem Jahre 1943, ist solch ein Buch. Und vor allem ist es eines seiner Werke, bei dem ich mir sicher bin, dass es für jeden (auf irgendeiner Ebene) zugänglich ist.
Sartre reißt viele Themen an. Schon zu Beginn sterben seine sehr unterschiedlichen Protagonisten. Aber dieser Tod kennt keine Ängste oder Schmerzen. Der Tod ist profan und unspektakulär. Er hat mehr etwas Verwaltungstechnisches, nichts Religiöses – außer vielleicht, dass es ein Leben danach gibt. Aber klar ist: Bei ihm gibt es kein großes Mysterium rund um den Tod. Zu sterben hat etwas zutiefst Sachliches.
Aber „Das Spiel ist aus“ ist auch eine Geschichte der Klassenunterschiede und der Frage, ob es – selbst bei größter Zuneigung und Liebe – die Möglichkeit überhaupt gibt, dass man diese überwindet. Werden Sie immer die Welt der Menschen teilen?
Aber auch Verrat ist Thema. Oft sind es die, die uns verraten, die uns am nächsten stehen.
Der große Philosoph hat sehr viel in dieses kleine Werk gesteckt, so wie auch Faschismus, einhergehend mit dystopischen Elementen. Ein Werk, das als Drehbuch gedacht war und somit in reiner Buchform eher an eine Novelle oder kurze Erzählung erinnert.
American Mother | Colum McCann und Diane Foley
Was kann ein Mensch ertragen? Wieviel Leid kann er aushalten?
Und wieviel davon kann er später verzeihen, wenn er/sie den Menschen kennenlernt, der es zu verantworten hat? Diane Foley saß über lange Zeit und über viele Gespräche hinweg dem Mörder ihres Sohnes gegenüber, der diesen gefoltert und auf bestialische Art getötet hatte. Und dies nicht in Notwehr, sondern bewusst, weil dieser war, was er war – ein amerikanischer Journalist. James Foley wollte über Menschen in einem Kriegsgebiet berichten – über ihr schweres Leben, über ihre Leiden.
Colum McCann hat nun zusammen mit der bewunderungswürdigen Diane Foley dieses besondere Buch, diesen besonderen Bericht verfasst. Einen Bericht, der für den möglichen Leser nicht immer einfach zu lesen ist. Zu schrecklich die Vorstellung, dass dies alles auf Realität beruht. Und trotz allem ist es ein sehr eindrucksvolles, mitnehmendes und wichtiges Werk. Es geht nicht vornehmlich um die Schrecklichkeit und uns schockierende Brutalität. Es ist zutiefst wichtig, dass diese Geschichte erzählt und von vielen gehört wird. Die Geschichte, die in das Leben der Familie Foley einschlug, Leben auf unvorstellbare Art änderte. Es geht darum, wie Hass und Vergebung uns leiten können. Sei es in die Irre, in den Wahnsinn oder in ein Leben nach dem Unvorstellbaren.
Yoko | Bernhard Aichner
Wie kommt ein Autor auf die Idee, sein Buch, seine Hauptperson ausgerechnet nach der Frau zu benennen, die von 90% aller Beatles-Fans auf der Welt (inklusive mir) als Haupttäterin für die Spaltung dieser Musikgötter verantwortlich gemacht wird? Sollte es zeigen, dass man mit solch einem Namen auf dieser Welt schlechte Karten hat? Das schon vor ihrer Geburt die Welt es nicht gut mit ihr meinte? Oder ist es der versöhnliche Versuch den Namen „Yoko“ irgendwie ins Positive zu ziehen?
Bernhard Aichner ist eigenwillig, klar und direkt. Er ist ein sarkastischer Grenzgänger, liebt den (und spielt daher mit dem) morbiden Charme, den wir aus vielen seiner vorherigen Werke kennen. Eigentlich sind es immer ganz „normale“ Personen, die beim etwas genauerem Hinschauen, dann schon gar nicht mehr normal sind. Und daher lieben wir sie! Sie haben etwas von uns – wir identifizieren uns schnell mit ihnen. Und so ist erst einmal auch Yoko, die Menschen ihrer Umgebung und die Geschichte von Yoko, die wir in Rückblenden erklärt bekommen.
Die Zeitmaschine | H.G. Wells
Als ich als Kind den 1960 produzierten Film „Die Zeitmaschine“ eines Sonntagsnachmittags im Fernsehen sah, war ich begeistert und für mein Leben geprägt. Er hat meine Liebe zu intelligenten Science-Fiction Büchern begründet und den alten Menschheitstraum, seine eigene Zeit zu verlassen, ja überwinden zu können, auch in mich eingepflanzt. H.G. Wells hat in seiner 1895 erschienen Dystopie einen literarischen Meilenstein geschaffen. Und ich rate jedem das originale Buch zu lesen, das in seiner teils vielleicht oft unkonkreten, manchmal oberflächlichen, rudimentär wirkenden Erzählform, so viele Möglichkeiten hergibt, die Zukunft vielfach mit seiner eigenen Fantasie zu erweitern und zu ergänzen. Wells macht dies, um seinen Zeitreisenden scheinbar lebendiger zu machen, ja, um sich für damalige Verhältnissen mehr an wirklich gesprochener Sprache zu orientieren. Denn der Zeitreisende erzählt selbst seine fantastische Geschichte.
Kaltblütig | Truman Capote
Holcomb ist die totale Einöde! Eine langweilige und teilweise etwas heruntergekomme Stadt in Kansas. Gottesfürchtig und fleißig ist man hier. Am 15. Februar 1959 kommt es hier zu einem Gewaltexzess an der Familie Clutter, die unauffällig hier auf ihrer Farm lebt. Dies schockiert die Gemeinde und das Land. Wer macht so etwas? Warum die friedliche Familie Clutter? Als dann die Täter verhaftet werden, kommt es zu einem Mordprozess, in dem es nicht nur um die Todesstrafe geht, sondern auch um Motive, menschliche Abgründe und unser oft eingeschränktes Bild, wie wir uns Täter vorstellen.
Manche Passagen, in denen Ausführungen zu Personen getätigt werden, mögen uns heutzutage als etwas zu lang geraten erscheinen. Dies ist aber Capotes Absicht geschuldet, der ein Psychogramm der Täter erstellen möchte, das sehr viel über die Selbst- und Fremdeinschätzung der beiden sagt. Darüber hinaus ist ihm die tragische Hinführung, die zum Mord führte, wichtig. Auch die Menschen, die sich in ihrem normalen Leben plötzlich mit dieser extremen Gewalt konfrontiert sehen, werden von ihm sehr feinfühlig dargestellt.