Es gehören viele Ebenen zu einem Roman, der nicht nur unterhalten will, sondern uns eine Zeit, Umstände, Verständnis für Menschen, für ihr Denken erklären möchte. Cay Rademacher erzählt eine Geschichte, die wunderbar in die Stadt Köln passt. Und dabei ist es nicht das Köln, das vor unserem geistigen Auge erscheint – es ist Köln in Trümmern. Ein graues, trostloses Leben am Ende. Das zerstörte Köln bietet die eindrucksvolle, und manchmal grausige Kulisse und steht stellvertretend für viele Orte nach dem langen, fast 6-jährigen Krieg. Schon oft haben Autoren ihre Geschichten in diese Kulissen gesetzt, jedoch ist Rademachers Geschichte sehr individuell. Es ist nicht „nur“ wie im Untertitel angekündigt ein Kriminalroman – nein, es ist Geschichte im Schmelztiegel. Dazu bedient sich Rademacher gekonnt historischen Persönlichkeiten und fiktiven Personen, die wie Stereotypen ihrer Zeit wirken. Die Denunziantin oder der Polizist, der eigentlich nur Polizist und nicht Nationalsozialist sein wollte oder der jugendliche Schwarzhändler, der irgendwie den Tag überleben möchte. Und dazwischen Joe, der nun als amerikanischer Soldat in seine einstige Geburtsstadt zurückkommt, aus der er als Jude 1938 vertrieben wurde. Mit einem Hauch von Nostalgie und einer großen Wut schaut er auf seine einstigen Mitbürger. Und ausgerechnet Joe bekommt den Auftrag, den Mord an einem amerikanischen Soldaten aufzuklären. Eine explosive Mischung.
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Schatten der Welt | Andreas Izquierdo
Ja, jedes Mal, wenn ich zum ersten Mal einen Autor, der einen historischen Roman verfasst hat, lese, stelle ich mir die Frage: „Wie viele Seiten des Buches werde ich wohl lesen?“ Denn ich gehöre zu den Menschen, die ein Buch sofort abbrechen, wenn es allzu merklich zu Anachronismen oder historischen Oberflächlichkeiten kommt. Ich sage es direkt: Ich habe jede, der über 530 Seiten von „Schatten der Welt“ genossen – ich kam nicht in die Nähe das Buch schon zuvor zur Seite zu legen. Andreas Izquierdo schickt uns auf eine allumfassende, gut recherchierte Zeitreise und er besitzt die wunderbare Fähigkeit des schönen Erzählens, ohne überflüssige Schnörkeleinen. Dieses Erzählen ist einfühlsam und seine Figuren sind lebendig und mehrdimensional. So bringt er uns in das frühe 20. Jahrhundert, ins deutsche Kaiserreich, mit seinem starren gesellschaftlichen Obrigkeitssystem und wir lesen diese Geschichte mit dem Gefühl um das bedrückende Wissen, welche Schrecklichkeiten das junge Jahrhundert für seine Hauptperson noch bereithalten wird.

Strafsachen – Ist unser Recht wirklich gerecht?
Schafft es unser Recht unser Gefühl von grundsätzlicher Gerechtigkeit zu befrieden? Aus dem täglichen subjektiven Empfinden heraus würden wohl viel sagen: Nein!
Was ist überhaupt gerecht? True-crime hat eine riesige Nachfrage in unserer Zeit und wir alle setzen uns mit den zeitweise grausamsten Verbrechen auseinander – hören und urteilen (oft sehr schnell). Wir mimen die Hobbyjuristen ohne Tiefe! Die Dinge sind oft viel verzwickter, viel umfassender. Also: Ist das gerecht? Was ist gerecht? Die passende Lektüre dazu liefern Elisa Hoven und Thomas Weigend in ihrem spannenden Buch „Strafsachen“. Ein Buch, das nicht zu vergleichen ist mit dem überfluteten Markt der True-Crime-Bücher, denn im Vordergrund steht hier nie die Sensation, der Voyeurismus oder das Spektakel des Verbrechens, sondern wir sind gefragt, was gerecht wäre und bekommen durch aktuelle Fälle das (zeitweise) Dilemma der Rechtsprechung aufgezeigt. Endlich ein deutliches Buch mit Tiefe auf diesem Markt.