Erschienen bei Kohlhammer
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Autor Sadrzadeh ist für uns ein Glücksfall
Ali Khamenei, der oberste religiöse Führer und somit die absolute Macht im Iran, ist wohl eine der undurchschaubarsten Persönlichkeiten dieses Landes. Sein Verhalten ist im Höchstmaß ambivalent. Hinter einer religiösen Fassade zeigt sich ein machtpolitisch gewiefter, flexibler, rhetorisch-trainierter Mann. Ali Sadrzadeh hat uns nun eine Biografie Khameneis vorgelegt, die uns diesen nicht nur als undurchsichtigen Politiker präsentiert, sondern eine Biografie, die uns die – für uns Außenstehenden – oft schwierigen Verhältnisse, Strukturen und Vorgehensweisen im Iran näher bring.
Autor Sadrzadeh (selbst mit iranischem Hintergrund) zeigt sich hier immer wieder als fabelhafter Guide für uns, der uns durch diese – doch so unbekannte – Welt, ihrer Selbstverständlichkeiten, Normen und Werte, aber auch ihre gefährlichen Fallen und Tücken für die handelnden Personen, führt. Es ist eine große Hilfe, den Iran durch einen solchen absoluten Kenner der Traditionen und der Kultur (vor allem der Sprache) kennenzulernen. Niemand sonst hätte uns wohl sonst erklären können, wie ein Mann, der ständig unterschätzt wurde, in den Wirren der revolutionären Jahre zum Ende der 70er hier an die Macht kommen, und diese nunmehr über 36 Jahre erhalten konnte.
Vom Understatement bis zur Lüge
Ali Khamenei stapelte tief, als er behauptete, dass man das Land beweinen müsse, dass ihn zum Führer wählen würde. Doch seine Worte waren Berechnung, sollte die Menschen täuschen – als würde er die Macht gar nicht haben wollen. Aber um ihn, und vor allem seinen Aufstieg verstehen zu wollen, bedarf es mehr als nur der schnöden Lebensdaten einer Biografie. Nein, wir müssen das Denken, die Kultur, die Prägungen des einst persischen Volkes verstehen. D.h., das Volk des Iran, das sich heute als schiitischer, islamischen Staat versteht. Understatements, bis hin zur Lüge, werden hier nicht als solche, wie in unserem Sinne, verstanden. Sadrzadeh spricht von der „Paradoxie der iranischen Kultur“ und der „Doppeldeutigkeit als Waffe des Überlebens“. Man lebt zwischen der jahrtausendalten, persischen Kultur und der islamisch-schiitischen Religion, die eigentlich keine vorherige Kultur akzeptiert.
So startet Sadrzadeh also seine Reise ins Leben Khameneis an dem Tag, als dieser, überraschend (außer wahrscheinlich für ihn und den damaligen anderen Mächtigen Mann Ali Akbar Haschemi Rafsandschani) zum obersten religiösen Führer des Irans gewählt wird, obwohl er eigentlich nicht die Voraussetzungen dazu mitbringt. All dies war geprägt durch Manipulation und Tricksereien. Und dies war – wie wir an vielen Beispielen, Lebenssituationen und politischen Ereignissen im Buch erfahren – oft so in seinem Leben seine Vorgehensweise.
Ein wichtiges und spannendes Werk
Ali Khameneis Leben, sein Aufstieg und sein Macherhalt sind natürlich vollkommen mit der – zeitweise verworrenen Geschichte des riesigen Gebietes, das wir als Persien kennen – verknüpft. Sadrzadehs Werk ist auch eine sehr gute, fabelhaft didaktisch reduzierte, Übersicht dazu.
Schon Khameneis Idol als Kind war der radikale Islamist Navvab Safavi, der mit seinen Anhängern auch vor Gewalttaten nicht zurückschreckt. Safavi wurde später wegen Terror und Mord hingerichtet. Für Khamenei blieb und ist er ein islamischer Held, denn Khamenei ist ein Fanatiker, voller Hass auf anders Denkende. Er ist voller Intoleranz. Somit schreckt er auch nicht vor der Anordnung von Gewalt oder Todesurteilen zurück.
Sadrzadehs Arbeit besticht auch durch die vielen kleine Anekdoten, die uns helfen, die vielen Entwicklungen im Großen und Ganzen zu verstehen. Ein wichtiges und oft auch spannendes Buch des Journalisten zum Verständnis und den Hintergründen eines mächtigen Mannes.