Im Kaiserreich – Eine kurze Geschichte 1871 – 1918 | Katja Hoyer Textopfer, April 24, 2024April 24, 2024 erschienen bei Hoffmann und Campe (Rezensionsexemplar) Ein deutsches Phänomen Wenn man in Deutschland viele erwachsene Personen nach der Geschichte ihres Landes und Volkes befragt, dann bekommt man wohl viele Aussagen im Rahmen von Fragezeichen bis mangelhaft, als in kaum einem anderen Land. Gibt es noch rudimentäres Wissen zum Nationalsozialismus, so liegen Weimarer Republik und Kaiserzeit bei vielen im Dunkeln. Dabei gilt es doch diese ersten deutschen Staaten zu verstehen, um unsere “Jetzt-Situation” als Staat in der heutigen Welt zu begreifen. Und deutsche Geschichte – die Geschichte des Kaiserreichs – muss nicht verstaubt, konservativ und in rückgewandter Form um die Ecke kommen. Sie kann modern und dossiert geschrieben sein. Ein Beispiel dafür ist dieses Buch! Katja Hoyer beschreibt den Aufstieg Preußen seit den Befreiungskriegen 1812, die zum Mythos des späteren Deutschen Reichs werden. Ein Staat, der eigentlich nichts anderes ist als eine Erweiterung Preußens. Diesem Geisterstaat der deutschen Geschichte, dessen Geist wir bis heute an vielen Ecken und Enden unserer Gesellschaft, unseres Landes und Denken noch immer finden. Und dessen historischer Geist die Folgestaaten prägen sollte. Oft erzählt – aber nicht so! Die Geschichte ist schon oft erzählt worden. Doch Hoyer bringt sie gut auf den Punkt, ohne sich zu weit und zu differenziert in Kleinigkeiten zu verlieren. Das Buch ist vor allem Ideal für junge Leser, die in kurzer Form (ca. 250 Seiten) die Geschichte des Deutschen Kaiserreichs entdecken und verstehen wollen – sich diesem ersten Deutschland nähern möchten. All dies kann helfen, um spätere Entwicklungen über die Weimarer Republik bis hin zur Nazi-Diktatur verstehen zu können. Ein manchmal sperriges Thema wird hier auf den Punkt gebracht. Ein schwieriges Thema unserer deutschen Geschichte strukturiert und erklärt. Nichts für die, die schon viele, viele Bücher über Preußen und sein Denken gelesen haben. Nein, das möchte dieses Buch auch nicht sein, das schon im Titel die Kürze der Darstellung betont. Aber ein ganz tolles Buch für Newcomer in der deutschen Geschichte. Hoyers Sprache ist sachlich, flüssig und ohne zu sehr in historischem Fachvokabular herumzustochern. Politische Entwicklungen und Richtungen werden bei Einführung gut und kurz erklärt, ohne dass der Leser schon auf übergroße Vorkenntnisse zurückgreifen muss. Pointiert Dieses Deutsche Reich war vor allem ein militärisch geprägtes und beeinflussten Reich und somit nicht vom Großteil seiner Bürger, sprich z.B. der Liberalen oder Arbeiter, Katholiken oder Intellektuellen. Über allem schwebt zu Beginn für viele Menschen der damaligen Zeit, die fast übermenschliche Person Bismarcks. Hier zeigt Hoyer z.B. ihr Können, wenn sie der Frage eines „deutschen Cäsars“ nachgeht. Kurz, pointiert, auf wenigen Seiten charakterisiert sie dem eventuell noch unwissenden Leser die komplexe Persönlichkeit des „Eisernen Kanzlers“. Das ist schon große klasse und gekonnt, denn andere haben dies in ganzen Büchern nicht vermocht. Auch bezüglich der zweiten Hälfte, der Reichs, unter dem narzisstischen Wilhelm II, erklärt sie, trotz der Kürze sehr differenziert, wie man diese Person einschätzen kann. Z.B., indem sie deutlich macht, dass bei aller Schellte über diesen selbstbezogenen Herrscher, man ihm nicht seine, für das Deutschland in den 1890er Jahren wichtige, starke Dynamik absprechen kann. Eine Dynamik, die Wirtschaft und moderne Entwicklung mit ankurbelt, aber Deutschland natürlich auch ins politische und kriegerische Chaos stürzte. Es zeigt sich die Arroganz und Entwicklung der verspäteten Nation. Ein sehr guter Einstig und Überblick in das Thema des Deutschen Kaiserreichs. Geschichte deutsche GeschichteGeschichteHoffmann und Campe