erschienen bei S. Fischer
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Zwischen Liebe und Konkurrenz
Geschwister – ein kompliziertes Verhältnis zwischen Liebe und Konkurrenz. Vor allem, wenn beide Brüder, wie im Fall von Heinrich und Thomas Mann, sehr eigene Typen sind und der gleichen Profession nachgehen. Sie waren Künstler und Intellektuelle. Zwei ungleiche Magier und doch vom gleichen Stamm. Natürlich lagen sie mit ihren Einschätzungen und Sichtweisen auf die damalige Welt und möglichen Entwicklungen, auch mal falsch. Aber welcher politinteressierte Mensch tat das nicht in den Wirren des 20. Jahrhunderts?
Natürlich gibt es in der heutigen öffentlichen Wahrnehmung die deutliche Dominanz von Thomas Mann gegen Heinrich, aber das war während der Lebzeiten der beiden, vor allem zu Beginn des 20. Jahrhunderts, nicht so. Das ist der Blick vieler in der Retrospektive. Trotzdem sind beide Schriftsteller nur im Kontrast zueinander, in ihrer großen Verschiedenheit und Auseinandersetzung miteinander vollständig zu verstehen.
Hans Wisskirchen präsentiert uns die neusten Erkenntnisse der vergleichenden Wissenschaft über die beiden so ungleichen Brüder. Durch neue Quellen und viele Querverweise gibt es uns die Chance, mehr über beide und die Wechselwirkung der beiden aufeinander zu verstehen. Ein tiefer Einblick, der nicht nur die nüchternen Fakten zeigt, sondern vor allem die besonderen Tiefen des sehr menschlichen Verhältnisses der beiden zueinander. Manchmal sehr komplex, manchmal auch fast banal.
Kein Politiker, kein Kaufmann
Wisskirchen hat ein umsichtiges Werk geschaffen, geprägt durch seine akribische Recherche. Die Quellenlage ist bei den Mann Brüdern sehr unterschiedlich und vor allem schwerpunktmäßig natürlich beim Nobelpreisträger Thomas Mann weitaus besser als bei seinem Bruder, der oft ein sehr unstetes Leben führte, was das Finden von Quellenfunden erschwert. Doch beiden ist eines gemein: Literatur ist Arbeit. Beide Brüder lebten dieses Ethos. Wisskirchen geht chronologisch durch das Leben der Autoren und spricht die wichtigen Themen, wie z.B. Sexualität, Musik bis hin zur gegenseitigen Bewertung ihrer großen Werke an. Auch die Prägung durch ihre Mutter. Im Kontrast zum politisch mächtigen Kaufmann, des Vaters Thomas Johann Heinrich Mann, in Lübeck, steht die aus Brasilien stammende Mutter Julia, die für die musische Erziehung der Jungen verantwortlich ist. Keiner der Söhne strebt in die Politik oder in den Kaufmannsberuf.
Ein einmaliges Verhältnis
Zum komplexen Verhältnis der Brüder gehören natürlich auch ihre Konflikte. Wer so eng und gleichzeitig so verschieden ist, muss Konflikte aushalten und austragen können, vor allem, wenn beide so wortgewaltig und wortreich sind. Vielleicht zeigt sich hier gerade das einmalige Verhältnis zueinander.
Heinrich Mann findet deutlich vor seinem Bruder den Weg zur Demokratie. Mit seinem Essay “Geist und Tat” von 1910 prägt er eine neue Generation von Autoren. Er ist progressiver und eine große Ausnahme der Autoren in Deutschland während des 1. Weltkriegs, der nämlich nicht in den Hurrapatriotismus einstimmt.
Die Differenzen während des Krieges steigen. Wisskirchen stellt dies in einem – fabelhaft aus Briefzitaten jener Zeit zusammengestellten – (fiktiven) Brudergespräch dar.
„Zeit der Magier“ ist keine Doppelbiografie, es ist die spannende, umsichtige und geschickte Darstellung der Brüder Heinrich und Thomas Mann zueinander. Wie halfen sich z.B. die Brüder, wie beeinflussten sie sich und wie hoben sie sich voneinander ab. Sie waren offen, offensiv, aber auch anerkennend und lobend in ihrer Kritik zueinander. Wir lernen sehr viel über die Menschen hinter den uns so bekannten Werken.