Eine Geschichte von Hass und Vergebung
Geschrieben von Colum McCann und Dian Foley
Erschienen bei Rowohlt
(Rezensionsexemplar, daher Werbung)
Was kann ein Mensch ertragen?
Was kann ein Mensch ertragen? Wieviel Leid kann er aushalten?
Und wieviel davon kann er später verzeihen, wenn er/sie den Menschen kennenlernt, der es zu verantworten hat? Diane Foley saß über lange Zeit und über viele Gespräche hinweg dem Mörder ihres Sohnes gegenüber, der diesen gefoltert und auf bestialische Art getötet hatte. Und dies nicht in Notwehr, sondern bewusst, weil dieser war, was er war – ein amerikanischer Journalist. James Foley wollte über Menschen in einem Kriegsgebiet berichten – über ihr schweres Leben, über ihre Leiden.
Colum McCann hat nun zusammen mit der bewunderungswürdigen Diane Foley dieses besondere Buch, diesen besonderen Bericht verfasst. Einen Bericht, der für den möglichen Leser nicht immer einfach zu lesen ist. Zu schrecklich die Vorstellung, dass dies alles auf Realität beruht. Und trotz allem ist es ein sehr eindrucksvolles, mitnehmendes und wichtiges Werk. Es geht nicht vornehmlich um die Schrecklichkeit und uns schockierende Brutalität. Es ist zutiefst wichtig, dass diese Geschichte erzählt und von vielen gehört wird. Die Geschichte, die in das Leben der Familie Foley einschlug, Leben auf unvorstellbare Art änderte. Es geht darum, wie Hass und Vergebung uns leiten können. Sei es in die Irre, in den Wahnsinn oder in ein Leben nach dem Unvorstellbaren.
James Wright Foley
Im August 2014 wurde der amerikanische Journalist James Wright Foley vom IS-Mitglied Alexanda Kotey, der in England als Sohn eines Mannes aus Ghana und einer griechischen Mutter geboren und aufgewachsen war, auf brutalste Art im Namen der Terroristen vor laufenden Kameras hingerichtet. Foleys Eltern erreichte diese Nachricht, wie den Rest der Welt, via Twitter in der Form eines Bildes ihres Sohnes, dessen abgeschnittener Kopf auf dem Rücken seines Leichnams lag. Der IS wollte nicht nur töten, er wollte auf bestialische Weise schockieren, Macht demonstrieren.
2021 war Kotey nun Gefangener in Amerika. Im Rahmen seines Prozesses kam es zu Gesprächen zwischen der bewunderungswürdigen Mutter des Opfers Diane Foley und dem fanatischen Islamisten, der sich während dieser Gespräche oft in Lügen und Widersprüchen verfing, da er sich so wenig wie möglich, belasten wollte. Trotz allem, führte sie die Gespräche fort.
Ein würdevoller Umgang
American Mother ist ein leises, mal bedrückendes, beeindruckendes und – vor allem gegenüber den Hinterbleibenden – respektvolles Buch. Colum McCann nähert sich langsam und behutsam den Personen und den Situationen. Er beobachtet sehr gut. All das schützt auf gute Art die Mutter, die Familie des Opfers. Es zeugt und zeigt einen höchst emotionalen würdevollen Umgang mit diesem, fast nicht aushaltbaren Schicksal. Gleichzeitig nimmt es nichts vom Schrecken der Tat oder entlässt den Täter aus seiner Verantwortung. Großen Tiefgang haben die Passagen, die Diane Foley selbst geschrieben hat. Sie zeugen von einer mutigen Offenheit und dem Wunsch, nicht den Hass siegen zu lassen.