(Rezensionsexemplar)
erschienen im dtv- Verlag
Das Ende der Antike
Bildung, Wissen, Ästhetik – dafür steht die Antike. Wir befinden uns in diesem Roman kurz vor dem Untergang dieser Zeit, im 4. Jahrhundert nach Christ Geburt, im Süden des heutigen Spaniens – in Hispania. Wir befinden uns also kurz vor dem „langen Schlaf der Kultur und des Wissens“ im kommenden Mittelalter. Auch Jakob, die Hauptperson, geht nicht mehr davon aus, dass seine Geschichte zukünftig von jemandem gelesen wird. Es erscheint ihm, dass alles in Vergessenheit geraten wird.
„Ich, Sperling“ ist ein eindrucksvoller, besonderer Roman in einer historischen Umgebung. Nicht unbedingt das, was man typisch einen „Historischen Roman“ nennen würde, denn seine Aussage und Handlung erscheint des Öfteren im Buch als zeitlos. Geprägt ist das Erzählen des Autors James Hynes durch eine fabelhaft lyrische, bunte, vielfältige und sehr ausgefeilte Sprache, voller intensiven Darstellungen, die sich in Momenten der Gewalt und des Sex plötzlich brachial und derb präsentieren kann. Das alles ist ausdrucksstark und verfehlt beim Leser nicht seine Wirkung.
Am Ende der Antike
Jakob erzählt am Ende seines Lebens seine spezielle Geschichte als heranwachsender Sklave. Aufgewachsen als schwarzes Kleinkind im Bordell, wird es von Prostituierten und unter den Augen des hünenhaften und zeitweise gewalttätigen Audo erzogen. Er erzählt in wunderschönen, ausgefeilten und blumigen Worten seine Kindheit, die von Gewalt, Sexualität, aber auch von der feinfühligen Zärtlichkeit und Fürsorge ihm gegenüber geprägt ist. Vieles im Leben der Menschen hier dreht sich um Macht. Und die absolute Macht hat der Dominus und dessen Sohn. Denn dies ist kein normales Zuhause, dies ist ein Geschäft und die immer stärker werden Kirche macht es mit ihren Moralvorstellungen immer schwieriger ein solches Haus zu betreiben.
Niemand kann dem Jungen, der nur als „Junge“ bezeichnet wird und wie Gegenstände keinen individuellen Namen hat, genau sagen, wo er herkommt und wer seine Mutter war.
Als er zum ersten Mal die sichere Ummauerung des Bordells verlässt, wirkt das laute Treiben der Hafenstadt Nova Karthago wie ein Kulturschock, für ihn. Stück für Stück, wird er durch beigebrachtes Wissen und seine Erfahrungen diese Welt mehr und mehr verstehen.
Ein leises Buch, das zeitweise aufschreit
„Ich, Sperling“ ist ein zumeist leises Buch, welches immer wieder kurz aufschreit. Und es gibt einem dauerhaft das Gefühl, auf eine große Schrecklichkeit hinzuzulaufen. James Hynes gibt uns eine solche Nähe zu den Hauptpersonen, dass wir schon beginnen uns Sorgen um sie zu machen. In der Unmenschlichkeit des Bordellbetriebs, in dem jeder wie austauschbar wirkt, zur Ware wird, entwickeln sich trotz allem tiefe, familiengleiche Beziehungen.
Die Sprache ist variantenreich und detailliert und zeitweise fast lyrisch.
Ein großes Werk darüber, was und wer ein Sklave ist, wer frei und unfrei ist und was Menschen frei und unfrei macht. Aber auch ein Buch über Macht und wie sie rücksichtslos und brutal den Unfreien behandelt.