erschienen bei DVA
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Ein Skandal!
Ein Skandal im 19. Jahrhundert und einer der wohl renommiertesten, populärwissenschaftlichen Historiker in Deutschland, (ein Australier!) berichtet uns davon: Der fabelhafte Christopher Clark! Viele beeindruckende Geschichtsbücher (wie „Die Schlafwandler“ oder „Frühling der Revolution“) hat er uns in den letzten Jahren geschenkt und in seinen verschiedensten Fernsehproduktionen hat er uns gezeigt, dass Geschichte spannend, alltagsnah und faszinierend sein kann. Clark tut der deutschen Geschichtsszene gut, denn er ist (ähnlich wie Dan Jones) einer der populären, anglo-amerikanischen Geschichtsschreiber, die mit ihrer mitnehmenden Art des Schreibens, viele Leser für Geschichte interessieren können, die im Allgemeinen mit dieser Art des Sachbuchs nichts anfangen können. Das macht Spaß und Lust auf Geschichte.
Auch in diesem – für seine Verhältnisse – kurzem Buch (nur ca. 200 Seiten), schafft er es wieder, uns eine Geschichte aus der Geschichte umfassend darzustellen und uns dabei doch auch etwas „auf die Folter zu spannen“ welcher Skandal denn nun in Königsberg geschehen ist.
Protestantismus zwischen Vernunft und Unvernunft
Clark ist es wichtig, dass wir die Hintergründe der religiösen und philosophischen Streitigkeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den deutschen Landen und speziell in Preußen, verstehen. Es lässt sich so erahnen, welche Sprengkraft in dieser Geschichte für die damalige Gesellschaft lag – wie hoch die Empörung, Wut bis hin zum Hass war. Zeitungen überschlugen sich mit angeblichen geheimen Praktiken rund um die angeblichen Sektenführer Ebel und Diestel. Der Königsberger Skandal zeigt die Zerrissenheit der religiösen, preußischen Gesellschaft. Eine Gesellschaft zwischen Vernunft und Unvernunft, zwischen dem Versuch einer kantschen-aufgeklärte Sicht auf die Religion bis hin zu fantastisch-mystischen Variationen, denen eigentlich sämtliche christliche Substanz fehlte. Der Übergang kann aber – wie sich hier zeigt – schnell und fließend sein.
Es ist aber auch die Zeit, in der der preußische Staat versucht eine Einheitlichkeit des Protestantismus im Land zu erzeugen und daher gegen mögliche Sektierungen – mit zeitweise übertriebener Härte – vorgeht.
Differenziert und detailreich
Darüber hinaus zeigt sich im Buch auch ein Bild dieser preußischen Gesellschaft, die sich gerne bieder gibt, aber angebliche sexuelle Handlungen der „Sektierer“ bis zum Phantastisch- Orgiastischen, kreativ ausschmückt werden.
Clark zeigt uns den wahren Spirit der preußischen Gesellschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts, indem sich der Staat angeblich neutral und nüchtern präsentieren will, aber die handelnden Personen bei weitem nicht so agieren. Deutlich wird, dass sich hinter dieser Fassade, Ressentiments, Vorurteile und Intoleranz präsentierten.
Spannend, wie immer, berichtet Clark auf hohem Niveau. Keine Pauschalisierungen, sondern wir bekommen die Abläufe sehr differenziert und detailreich erzählt. Gute Recherche ist dem vorrausgegangen! Ein gutes Geschichtsbuch.