Erschienen bei Kiepenheuer und Witsch
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Vom Taxifahrer zum Weltbürger
Es war ein langer Weg vom Taxifahrer, zum turnschuhtragenden Umweltminister in Hessen, Außenminister der Bundesrepublik und dann zum weisen Politsenior. Aber Joschka Fisher hat viel Erfahrung, Knowhow und – das beweist er in seinem neusten Werk – er hat globalpolitischen Weitblick. Sein Buch „Die Kriege der Gegenwart und der Beginn einer neuen Weltordnung“ muss der clevere Fischer schon weit vor dem 2. Amtsantritt Donald Trumps im Februar bedacht haben. Das Buch erschien am 13. März 2025 und Joschka Fischer hat schon einiges zuvor kommen sehen.
„Chaos als Ordnungsprinzip in der zukünftigen Staatenwelt“. Mit dieser Überschrift dachte Fischer schon vor der Amtsübernahme des neuen US-Präsidenten, das neue System der Staaten dieser Welt zueinander durch. Und es erinnert viel ans orwellsche „1984“, wenn es keine stabilen, kontinuierlichen Bündnisse zwischen ihnen mehr gibt, sondern jeder ständig auf seinen Vorteil bedacht ist und dafür auch bereit ist, sekundenschnell alte Partnerschaft aufzulösen und neue einzugehen. Es gilt dann nur noch kurz die Geschichte zu ändern. Das ist der Beginn einer neuen Weltordnung. Ob dies nun ein Übergang ist oder der neue „Normalzustand“, bleibt abzuwarten.
Leben in der weltpolitischen Übergangsphase
Fischer geht von einer Übergangsphase aus, die durch globale Rivalitäten geprägt ist. Eine Rivalität, die zur Durchsetzung der eigenen Interessen, Krieg zur Gebietserweiterung nicht mehr ausschließt, ja, davon geprägt ist. Annexion und Okkupation sind in der Weltpolitik wieder salonfähig. Die Hauptachse der geopolitischen Beziehungen sieht Fischer im 21. Jahrhundert zwischen den Supermächten China und den USA. Fischer glaubt, dass auch wenn wir gegenwärtig den Konflikt zwischen ihnen sehen, eine Kooperation zukünftig vorstellbar ist. Er zeigt sein rationales gelenktes Denken. Ob sich dies wirklich in den jetzt so emotionalisierten USA durchsetzen wird, bleibt fraglich. Er glaubt an rationale Einsichten. Russland ist seiner Ansicht nach, das dauerhafte Sicherheitsrisiko der Welt. Europa prognostiziert er weiterhin ein schwaches Dasein, da es sich nicht umfänglich einig werden kann. Der aufkommende Nationalismus in seinen Ländern birgt die große Gefahr des Scheiterns.
Willkommen in der Realpolitik
Zwischenstation macht Fischer auch in Israel und hinterfragt, ob ein eigener Palästinenserstaat wirklich Frieden bringen würde, wäre doch die Gefahr eines großen Krieges, dadurch dass ein souveräner Staat natürlich auch über militärische Mittel verfügen würde (direkt vor der Haustür der Knesset) immens hoch. Mit dem Aufstreben des globalen Südens und dem möglichen fallenden Einfluss der Europäer und Amerikas weltweit, wird es für Israel ohnehin schwerer, im Nahen Osten nicht als Relikt europäischen Kolonialismus angesehen zu werden.
Fischer greift immer wieder tief in die Geschichte zurück, um seine Thesen über den möglichen weiteren Fortlauf zu einer neuen Weltordnung, in eine größere Struktur einzubetten. Seine Meinungen und Ansichten zu verfolgen ist spannend und oft auch überzeugend. Fischer ist bis heute nicht der Idealist oder politische Visionär, sondern der Realpolitiker. Er ist dies aus seiner Mentalität, Überzeugung und Erfahrung heraus. Genau das macht das Buch interessant – kein Romantisieren, sondern das Ergebnis der Logik durch Faktensammlungen.