Junge Frau von 1944 oder 199 Tage | Ulla Dick Textopfer, Oktober 25, 2023Oktober 25, 2023 erschienen im ELV-Verlag Rezensionsexemplar Ein Buch mit zwei Titeln Ein ungewöhnliches Buch hat uns Ulla Dick hier geschrieben. Ein Buch mit zwei Titeln, das zwei vollkommen verschiedene Genre miteinander unter einen „Hut“ bringt. Den Roman und das Sachbuch! Die Verbindung ist: Es ist nur eine Geschichte, die Geschichte der Menschen in Aachen in der Interimszeit zwischen der Besatzung durch die Alliierten im Dezember 1944 bis zum endgültigen Ende des Krieges am 8. Mai 1945. Ein außergewöhnlicher Ansatz, um ein historisches Thema zu verarbeiten. Wobei es schon lohnend ist, da diese kurze – und für die aufzubauende Bundesrepublik – wichtige Zeit, so selten Thema ist. Dieser Roman mit einer fiktiven Familiengeschichte, ist auch gleichzeitig in seiner faktenreichen Aufarbeitung der letzten Kriegstage rund um Aachen mit vielen, vielen Informationen wie ein geschichtliches Sachbuch. Für den Leser ist es vorteilhaft, dass beide Teile beim Lesen gut voneinander zu unterscheiden sind. Ein Buch für Menschen, die Interesse an der Nachkriegszeit haben, die versuchen wollen zu verstehen, was die Alltagssorgen der Menschen waren und die neugierig sind auf die Geschichte Aachens, der Stadt im Herzen Europas. Mathilde Der 2. Weltkrieg neigt sich dem erhofften Ende zu, nur wenige glauben noch an den “Endsieg”. In Aachen bleibt die junge Mathilde allein im Haus zurück, welches sie mit ihrer Mutter und einigen Verwandten normalerweise gemeinsam bewohnt. Die anderen fahren auf Verwandtenbesuch. Sie soll jetzt, kurz vor dem Winter 1944/45, während der Abwesenheit der anderen, darauf „aufpassen“. Das Alleinsein birgt aber eine große Freiheit in sich, die junge Menschen lieben und die Mathilde noch erfahren wird. Die Situation wird jedoch noch vor dem Eintreffen der Amerikaner immer schwieriger für sie, als sie ihre Arbeitsstelle verliert, die Luftangriffe heftiger werden und sie unter anderem das Dach des Hauses allein reparieren muss. All dies, bevor die Stadt nun endgültig eingenommen wird. Doch die Feinde sind vor allem junge Männer, die sich nicht – wie die Propaganda immer wieder betonte – abscheulich benehmen. Im Gegenteil! Und so lernt man sich als junge Menschen im Chaos und Leid der Nachkriegszeit kennen. Ein ungewöhnliches Buch, mit einem interessanten und speziellen Thema der Nachkriegszeit Ulla Dick präsentiert ihr Werk im niederrheinischen Wortgewandt und zeitweise in ihrer Sprache erzählerisch ungeschliffen. Das hat seinen eigenen Charme, seine eigene Direktheit. Man hat das Gefühl, dass einem hier ein Verwandter einen authentischen Fall aus der Familiengeschichte erzählt. Immer wieder wird die Geschichte Mathildes unterbrochen von faktischen Teilen, die den Rahmen für das Schicksal der Hauptperson erklären. Diese Teile, die Vorkommnisse und Ereignisse in und rund um Aachen, erscheinen als sehr gut recherchierten. Und genau hier erscheint das Buch wie ein Sachbuch, hier geht es um die 199 Tage. Mathilde selbst ist – in ihren Abhängigkeiten – Spielball der Zeit. Ihr Leben ist einzig von den Notwendigkeiten der Zeit geprägt. Sie scheint nur zu reagieren. Nur einmal versucht sie die schlechte Zeit, die Zeit ohne Illusionen, um sich herum zu vergessen, was Konsequenzen für sie haben wird. Historische Romane AachenELV-VerlagGeschichte