erschienen bei Heyne
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Zwischen Ökologie, Ökonomie, Rassismus und Lobbyisten
Ich muss es direkt zu Beginn zugeben: Dies war wirklich mein erstes John Grisham Buch. Natürlich habe ich viele, viele Gerichtsdramen auf der Grundlage des weltberühmten Autors in ihren Verfilmungen gesehen, aber ein Buch kam mir irgendwie – ohne bewusstes Zutun – bisher noch nicht auf den Tisch. Somit stellen sich für viele bestimmt sofort die Fragen: Wie war es? Hat es sich gelohnt? Und hat der Altmeister immer noch diese spannenden Geschichten zu erzählen? All diese Fragen möchte ich – vor meinen Ausführungen – sofort mit „Ja“ beantworten. Grisham ist ein solider Autor, der es auch nach Jahrzehnten noch schafft, Geschichten mit Tiefgang und Hintergrund zu entwickeln und zu erzählen. Grisham ist ein Meister der Unterhaltung und der Spannung. In seinem neusten Werk „Die Legende“ erzählt er, passend für unsere Zeit, eine Geschichte im Spannungsfeld zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen, eine Geschichte über Rassismus und den Umgang der Lobbyisten mit Underdogs. Passend zur amerikanischen Gesellschaft 2025.
Was ist das Geheimnis von Dark Isle?
Aber diese Geschichte hatte auch etwas Mystery und etwas von einer modernen Robinsonade. Über allem schwebt aber die Frage: Was ist das Geheimnis von Dark Isle? Wem gehört die Insel und wer wird die Macht darüber erlangen. Lovely Jackson behauptete die Besitzerin von Dark Isle zu sein, einer Insel vor Florida, auf der einst geflohene Sklaven, in den Jahrhunderten zuvor, Zuflucht fanden. Aber es gibt keine Unterlagen, keine Urkunden dazu und die Frage bleibt, wie viel kann man der über 80-jährigen Lovely von ihrer Geschichte glauben. Ist es die Wahrheit? Wieviel ist eventuell dazuerfunden? Wieviel weiß sie wirklich noch?
Schon nach knapp 25/30 Seiten ist das Buch ein Page-Turner.
Grishams Geschichte verläuft auf mehreren Zeitebenen. So gibt es auch noch die Geschichte von Lovelys Vorfahrin Nalla einer jungen Frau, die vor rund 250 Jahren in Afrika entführt wird und auf ein Sklavenschiff gerät. Ihre tragische Geschichte, ihr Schicksal, ist die Geschichte in der Geschichte.
Ein Roman als gutes Statement
Grisham wird aber nicht müde, noch ein Thema, eher wie nebenbei, mit einzubringen, nämlich das Leben und die Realitäten von gefragten Autoren. Am Beispiel von Mercer, die Lovelys Geschichte aufschreiben möchte, wird dies deutlich. Es geht um Vorschussverhandlungen, den unregelmäßigen Tagesrhythmus und den Akt des Schreibens an sich, der auch für geübte Autoren, immer schwierig bleibt. Und natürlich folgt auch das Gerichtsdrama, was man in einem Grisham Buch wohl erwartet.
In einer Zeit, in der ein amerikanischer Präsident versucht, die dunklen Flecken der Sklaverei in der amerikanischen Geschichte auszuradieren, ist Grishams Buch ein wichtiger kultureller Beitrag und ein klares Statement zur derzeitigen Entwicklung der amerikanischen Gesellschaft. Es tut gut, wenn die anerkannten und etablierten Künstler ihren Status nutzen, um deutlich solchen Trends der Geschichtsverfälschung entgegenzutreten. Denn wie die Hauptperson Lovely Jackson selbst sagt: „So viele Geschichten der Sklaven sind nie erzählt worden und in Vergessenheit geraten.”