Erschienen im Penguin-Verlag
(Rezensionsexemplar, also Werbung)
Neue Handschrift
Man kann am Ergebnis der Zusammenarbeit von Autoren als Leser schwerlich feststellen, wer was im Buch geschrieben, erarbeitet oder konstruiert hat. Jedoch muss man schon zugeben, dass der neue Band über das Dezernat Q unverkennbar eine andere “Handschrift” trägt, als seine berühmten Vorgänger (was auch im Dankeswort deutlich wird). Dies soll bei weitem nicht negativ klingen, sondern es ist einfach eine faktische Feststellung. Die Fortführung des Sonderdezernats Q ist mehr wie ein Spin-Off der zehnteiligen Carl-Mørck-Serie anzusehen. Und in diesem Verhältnis zueinander funktioniert der Auftakt der neuen Bände, rund um Rose, Assad und der neu eingeführten französischen, mysteriösen Polizistin Helena Henry. Die Tradition ist klar gesetzt und man bleibt ihr hier treu. Aber – und das ist in Erzählweise und Konstruktion klar zu erkennen – ein neuer Geist ist eingekehrt. Es wird weiblicher, sei es in der Vorgehensweise bis hin zum Humor. Das alles, auch wenn die Geschichte sich rund um einige Männer und traumatische Kindheitserfahrungen im Internat eines Knabenchors drehen. Das Sonderdezernat Q für Cold-Cases schafft die Arbeit auch in (zu einem Drittel) neuer Besetzung, auf ihre uns bekannte eigene Weise.
Die Verschmelzung von Jussi Adler Olsen und Carl Mørck
Ausgerechnet Carl Mørck, der nach seinem Ausstieg aus dem Polizeidienst seine ersten Bände als Autor seiner autobiografischen Kriminalfälle „Erbarmen“ und „Schändung“ (letzteres steht hier kurz vor der Veröffentlichung) öffentlich präsentiert, bekommt durch eine Leserin einen Tipp über die Vertuschung eines Versäumnisses in einer Behörde. Auch wenn er nicht mehr Kommissar ist, lässt ihn die Sache nicht los. So informiert er Assad über die Hinweise. Dieser muss sich zurzeit mit der heiklen Situation zwischen der neuen Kollegin aus Lyon und Rose – die ja im Allgemeinen immer psychisch auffällig war und ist – herumschlagen. Es knirscht zwischen den drei KollegInnen.
Mit einem Carl Mørck, der seine eigenen Fälle als Autor veröffentlicht, ist (schon zum Ende des letzte Falls) Jussi Adler Olsen endgültig mit seiner Figur verschmolzen. So können nun zukünftig die (von ihm mit ausgesuchten) neuen Autorinnen Line Holm und Stine Bolther die Entwicklungen der bekannten Personen weiter vorantreiben. Mit Helena Henry, die natürlich auch eine Person mit besonderen Charaktereigenschaften, ihren sehr eigenen „Ecken und Kanten“ und scheinbar sehr mysteriösen Geschichte ist, wurde eine zentrale Person eingeführt, die vielleicht die Reihe noch einmal in eine ganz andere Richtung führen kann.
Der Auftakt steht!
Zurzeit funktionieren (wie in den anderen Bänden zuvor) ganze Strecken des Buchs vor allem über die Reibungen, den Humor, d.h. der Auseinandersetzungen zwischen seinen Hauptpersonen. Durch die z.B. nun vorherrschende Sprachschwierigkeiten der Helena Henry, die auf – den natürlich noch immer nicht vollkommen Dänisch sprechenden – Assad stößt, kommt es immer wieder zu herrlichen Wortspielereien, die auch in der deutschen Übersetzung gut funktionieren.
Der Auftakt zu einer neuen Reihe ist somit gelegt. Es darf mit Spannung erwartet werden, welche individuellen Entwicklungen die Reihe nun einschlagen wird, damit wir weniger an die vergangenen Abenteuer eines Carl Mørck denken, sondern mehr an die neuen Abenteuer des neuen Teams.